Ein Rundgang durch das neue Hildebrandhaus

Die wiedereröffnete Monacenisa betritt man am besten durch den Eingang Siebertstraße. Das bietet nicht nur die Möglichkeit, die Räumlichkeiten barrierefrei zu erreichen, sondern hat auch den Vorzug, dass auf diesem Weg die Innovationen, die sich aus der dreijährigen Generalsanierung ergeben haben, am deutlichsten sichtbar werden. Von hier aus begibt man sich in den neu errichteten Glasanbau, der dem ursprünglichen Gebäude vorgelagert und harmonisch in die historische Bausubstanz integriert ist. – Einen ähnliches Konzept ist bereits im neuen Lenbachhaus zur Anwendung gekommen. Aus dem Raum, der auf diese Weise entstanden ist und für ein Café genutzt wird, gelangt der Besucher sodann durch ein großes Tor, das im Rahmen des Umbaus wieder freigelegt wurde, in Adolf von Hildebrands ehemaliges Atelier. Das „Forum Atelier“, wie der Raum jetzt heißt, ist als Ort der Begegnung gedacht und bietet Platz für größere Veranstaltungen. An seinen Stirnseiten ist die Bibliothek des Thomas Mann-Freundes und -Forschers Peter de Mendelsohn aufgestellt. Dessen Bücher sind eine der wenigen im Besitz der Monacensia, die zukünftig nicht ausgeliehen werden können. Denn auch das gehört zu den großen Veränderungen, die die Neukonzeptionierung mit sich gebracht hat: Im Gegensatz zu früher ist die Monacensia fortan keine Präsenzbibliothek mehr; vielmehr können die meisten Bücher, die hier verwahrt werden, nach Hause ausgeliehen werden. Dafür notwendig ist lediglich ein gültiger Ausweis der Münchner Stadtbibliothek.

An das Atelier schließen sich die ehemaligen Zeichensäle an, die nun zwei Ausstellungen beherbergen. Zum einen die Dauerausstellung „Literarisches München zur Zeit von Thomas Mann“, zum anderen eine kleinere Präsentation, in der die wechselvolle Geschichte des Hauses aufgearbeitet wird. Der Schwerpunkt liegt hier vor allem auf der NS-Zeit. Die Jahre, in denen Hildebrand und seine Familie das Haus bewohnten, werden hingegen nicht nur in der Ausstellung dokumentiert, sondern auch an allen jenen Stellen des Hauses, an denen Kunstwerke des Bauherrn angebracht sind. Zudem erinnert die aktuelle Bezeichnung einzelner Räume bewusst an die frühere Nutzung durch die Familie Hildebrand. Neben dem bereits genannten „Forum Atelier“ sind das der „Salon Hildebrand“ und die „Bibliothek im Damenatelier“.

Das Herzstück aber bildet die Ausstellung „Literarisches München zur Zeit von Thomas Mann“. Sie besteht aus fünf Abteilungen, die sich in fünf thematisch gestalteten Leuchtsäulen und den ihnen zugeordneten Vitrinen materialisieren. Das erste Kapitel ist Frank Wedekind und seiner Ausstrahlung auf die literarische Bohème um die Jahrhundertwende gewidmet. Das zweite beschäftigt sich mit der Entwicklung Münchner Literaten im Ersten Weltkrieg und der Bedeutung, die dieses Erlebnis für ihr weiteres Schaffen hatte. Im Mittelpunkt steht hier die Biographie von Oskar Maria Graf, der erst durch den Krieg zu eben dem radikalen Pazifisten wurde, als der er in die spätere Literaturgeschichtsschreibung eingegangen ist. Die dritte Abteilung stellt die Familie Mann ins Zentrum, die der Monacensia in besonderer Weise verbunden ist: In ihrem Literaturarchiv werden die Nachlässe von Klaus und Erika verwahrt, zudem zahlreiche Briefe ihres Vaters, das Manuskript seines einzigen Dramas „Fiorenza“ sowie Dokumente weiterer Familienmitglieder. An der gegenüberliegenden Wand findet sich mit dem nächsten Abschnitt der Ausstellung ein Kontrapunkt zur literarischen Hochkultur, wie sie von den Manns vertreten wurde: Hier wird der Volkskultur nachgegangen, und es nimmt kaum wunder, dass Karl Valentin und Liesl Karlstadt in diesem Zusammenhang im Mittelpunkt stehen. Schließlich werden im letzten Teil Münchner Autoren in die Emigration begleitet. Damit ist nicht nur ein Bogen zwischen literarischer Avantgarde um 1900 zur Exilliteratur nach 1933 geschlagen, sondern auch das (Spannungs-)Verhältnis von Hoch- und Volkskultur ausgeleuchtet. Bei alldem ist das für eine Literaturausstellung immer schwierige Problem der Visualisierung von literarischen Inhalten ansprechend gelöst: In den Vitrinen wechseln literarische Dokumente (z. T. Originale aus dem Literaturarchiv) geschickt mit 3D-Objekten ab, etwa Annette Kolbs Brille, Erika Manns amerikanische Militärjacke oder Liesl Karlstadts Klarinette. Die beiden Prunkstücke in Gestalt der Schreibtische von Graf und Wedekind, die in diesem Kontext nicht unerwähnt bleiben dürfen, finden sich an der Schmalseite des Ausstellungsraums. Ein Übriges tun diverse Hörstationen, an denen der Besucher audiovisuelle Dokumente rezipieren kann.

Auf das Zusammenspiel verschiedener Medien setzt auch die Sonderausstellung, für die das Hochparterre Raum bietet. Gezeigt wird gegenwärtig die von Uwe Naumann kuratierte Ausstellung „Mon Oncle“. Sie nimmt das Verhältnis von Klaus und Heinrich Mann unter die Lupe und ist bis zum Januar 2018 zu sehen. Last but not least findet sich auf dieser Ebene der „Salon Hildebrand“, der als Veranstaltungsraum genutzt wird und mit neuester Technik ausgestattet ist.

Das Obergeschoss bildet das eigentliche Rückgrat der Monacensia. Denn hier sind in ehemaligen Wohnräumen der Familie Hildebrand und im sogenannten „Damenatelier“ die München-Bibliothek (mit den thematischen Unterabteilungen „Bibliothek Münchner Autorinnen und Autoren“ sowie „Bibliothek Familie Mann“) und das Literaturarchiv untergebracht. Im Dachgeschoss schließlich ist der „Raum der Wissenschaft“ beheimatet, ein Seminarraum, der vor allem im Rahmen der Kooperation zwischen Monacensia und LMU genutzt werden soll. Damit setzt die neue Monacensia sowohl auf Literaturvermittlung und Veranstaltungen als auch auf die wissenschaftliche Arbeit mit ihren Beständen. Antonie Magen