Von der Bücherei zum Olympiastadion
Die „Lesefüchse“ erobern mit Literatur die ganze Stadt

Münchner Kinder, die sich gerne Geschichten erzählen lassen, sind bei den Vorleserinnen und Vorlesern des Vereins „Lesefüchse“ gut aufgehoben. Einmal pro Woche bieten sie in vielen der Städtischen Büchereien Kindern zwischen 4 und 10 Jahren eine Vorlesestunde an, aber auch an einigen Münchner Grundschulen sind sie aktiv. 2003 startete das Projekt an einer Grundschule im Hasenbergl, heute zählt der Verein etwa 300 Vorleser, die an rund 40 Orten ca. 1100 kleine Zuhörer um sich scharen. Vor allem Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund haben hier die Chance, ihre Deutschkenntnisse und ihren Wortschatz zu erweitern, unbekannte Worte oder neue Begriffe werden erläutert. „Allerdings“ so Vorstandsmitglied Hans-Peter Meier „über einige Deutschkenntnisse sollten die Kinder schon verfügen, sonst macht das Vorlesen keinen Sinn“.

Die Bücher selbst werden von den Vorlesern ausgewählt, Verlage stellen Rezensionsexemplare zur Verfügung und auf der Webseite der Lesefüchse (www.lesefuechse.org) findet sich eine sehr umfangreiche Empfehlungsliste nach Altersstufen gegliedert und mit kurzen Inhaltsangaben versehen, die monatlich und demnächst 14tägig ergänzt wird. Viele der aktiven Lesefüchse schreiben selbst Rezensionen, wobei sie auch ihre eigenen Erfahrungen mit dem jeweiligen Buch in einer Kindergruppe einbringen können. Jeder kleine Gast bekommt pro Besuch einen Stempel in sein Heftchen, und bei 10 Stempeln gibt es ein Buchgeschenk. Einige „Stammgäste“ haben es schon auf 10 x 10 Stempel gebracht, was bedeutet, dass sie schon 3 Jahre regelmäßig an den Lesungen teilgenommen haben.

Einmal jährlich treffen sich die Lesefüchse zu einem sommerlichen Lesefest an spektakulären Orten wie dem Walderlebniszentrum in Grünwald, dem Tierpark oder dem Verkehrszentrum des Deutschen Museums. Die Literatur wird dann entsprechend der jeweiligen Örtlichkeit ausgewählt, im Neuen und Alten Rathaus gab es Geschichten und Legenden zur Münchner Stadtgeschichte, im Olympiastadion zum Thema Sport. Prominenz ist natürlich gern gesehen, und so las die Schauspielerin Ulrike Kriener beim Lesefest im Tierpark aus Rudyard Kiplings „Elefantenkind“ und der Schriftsteller Paul Maar aus seinem Buch „Die Kuh Gloria“. Im letzten Jahr standen Geschichten rund ums Auto und das Motorrad im BMW-Museum im Mittelpunkt, im Publikum auch eine alte Isetta.

Für die Reihe „Polizeibeamte lesen vor“ gehen rund 100 Polizisten an Münchner Grundschulen, lesen dort je nach Altersstufen Detektiv- und Kriminalgeschichten vor und stehen auch für Fragen und Gespräche zur Verfügung. „Aufschlagen statt Draufschlagen“ heißt ihr Motto, und die Beamten wollen dabei gewaltfreie Lösungen bei Problemen und Streitigkeiten aufzeigen und leisten damit Präventationsarbeit. Auch bei einem eigenen „Kinderkrimifest“ sind sie mit dabei. Für die höheren Grundschulklassen arbeiten die Lesefüchse seit einiger Zeit auch mit dem NS-Dokumentationszentrum zusammen. Gemeinsam mit Mitarbeitern des Zentrums wird das aktuelle Thema „Toleranz, Ausgrenzung und Gewalt“ vorbereitet und diskutiert. Ein Besuch des NS-Zentrums gehört zum Programm.

Alle Vorleserinnen und Vorleser bei den Lesefüchsen arbeiten dort ehrenamtlich mit, viele haben Erfahrung im Geschichtenerzählen mit eigenen Kindern oder Enkelkindern, und allen gemeinsam ist der Wunsch, die Kunst der direkten Vermittlung von Geschichten und Literatur in einer zunehmend digitalen Welt – auch im Kinderzimmer – nicht aussterben zu lassen.

Gisela Gernstl

Lesefüchse e.V., Blutenburgstraße 61, 80636 München, Tel.: 0 89- 72 01 61 41 und www.lesefuechse.org

In unsere Reihe „Münchens Literarische Orte“ stellten wir bislang vor:
Substanz, Autorengalerie, La Cantina, Vereinsheim, Streitfeld, Haidhauser  Literaturbox1, Von-Parish-Kostüm-bibliothek und die Tolstoi-Bibliothek.