Wassermadl und Bäckermeister
Das Café Luitpold – Treffpunkt von armen und reichen Poeten

Es ist warm, die Räume sind elektrisch erleuchtet, junge Mädchen schenken kostenlos Wasser aus – ein idealer Platz für arme Poeten. Sie ließen sich vor hundert Jahren sogar ihre Post herschicken. Die Adresse ist nobel: München, Brienner Str. 11, seit 1888 Domizil eines europaweit gerühmten Restaurants: Cafe Luitpold. In seinen glanzvoll ausgeschmückten Festsälen haben 1200 Gäste Platz. Schriftsteller fühlen sich hier wohl. So schreibt Hans Carossa über das Luitpold: „Ich schritt verhaltenen Schrittes durch diese heiligen Hallen, um die Göttinnen, die von den Gewölben lächelten, nicht zu stören“. 1944 wird der Luitpoldblock bei einem Luftangriff fast völlig zerstört, nur die Außenmauern bleiben stehen. An die glorreiche Vergangenheit erinnert seit 2004 ein kleines Museum – es soll Münchens kleinstes sein.

Knapp 40 Quadratmeter umfasst der Ausstellungsraum im 1. Stock über dem Cafe. An den Wänden und in großformatigen, herausziehbaren Schüben hängen historische Fotos, die die Geschichte der Kaffeehauskultur und die Entwicklung des Cafe Luitpold dokumentieren. Originale Ausstellungsstücke sind rar gesät: etliche Kaffeelöffel oder eine lädierte Stuck-Rosette lassen erahnen, was für eine Pracht im 50minütigen Bombenhagel am 17. Dezember 1944 zerstört wurde. Eine kleine Kostbarkeit in einer Vitrine: das Skizzenbuch des Münchner Malers Wilhelm Morgenstern zeigt ein sogenanntes Wassermadl, das im Luitpold Wasser nachschenkt. Historische Tonaufnahmen (zu hören per Kopfhörer) lassen in die 20er und 30er Jahre eintauchen: An der Brienner Straße gastiert unter anderen Barnabas von Geczy, der Paganini des Fünf-Uhr-Tees. Bei den Krönungsfeierlichkeiten 1937 in London tritt der Geiger einmal auf, im Cafe Luitpold gleich mehrfach, etwa mit dem Schmachtfetzen „Wenn der weiße Flieder wieder blüht“.

Dieses Musikwunder erklingt in einem „Raumwunder“, wie es die „Illustrierte Zeitung“ im September 1888 nennt: Neun Monate zuvor war das „Cafe und Restaurant Luitpold“ eröffnet worden. Namensgeber ist Prinzregent Luitpold von Bayern. Mit 120 Festsälen und märchenhaftem Interieur zählt das Luitpold zu den berühmten Palastcafes in Europa. Im Billardsaal stehen 16 Tische. In den Weinrestaurants Francaise werden Hummer und Champagner gereicht. 1929 eröffnen – an das Cafe angrenzend – die Luitpold-Lichtspiele mit 1245 Sitzplätzen und einer Wurlitzer-Kinoorgel.

In all diesem Glamour und in all dieser Pracht haben sich auch Künstler getroffen, Kaffee getrunken, diskutiert, gezeichnet, geschrieben. Um die Jahrhundertwende sind es unter anderen Franziska von Reventlow, Henrik Ibsen, Stefan George, Erich Mühsam, Ludwig Ganghofer, Henrik Ibsen und die Crew um den Münchner „Simplicissimus“ Thomas Theodor Heine, Albert Langen und Frank Wedekind. Stammgäste in späteren Jahren sind Erich Kästner, Sigi Sommer, Loriot und Anatol Regnier, die das neue, 1962 generalsanierte Cafe mit 500 Plätzen besuchen. In den späten 20er und den 30er Jahren hat das Luitpold auch andere Gäste. So schreibt Klaus Mann in seinem „Wendepunkt“: „Das Cafe Luitpold war zum Treffpunkt der SA und SS geworden. Ein anständiger Mensch verkehrte dort nicht mehr“. Klaus Mann weicht in die gegenüberliegende Carlton-Teestube aus und beobachtet dort, wie Adolf Hitler ein Erdbeertörtchen nach dem anderen verschlingt.

Seit 1989 besteht das neue Luitpold in erster Line aus dem Palmengarten mit einer zwölf Meter hohen Glaskuppel. Um das Cafe herum gruppieren sich die Läden, Praxen und Büros des Luitpoldblocks, in den 2010 auch die Stiftung Federkiel einzieht. 2016 erhält die Stiftung in unmittelbarer Nähe des Palmengartens einen Arbeitsraum, in dem immer wieder Ausstellungen und andere Veranstaltungen stattfinden. So wie auch im „Salon im Cafe Luitpold“, in dem Pächter Dr. Stephan Meier, seines Zeichens Konditor und Bäckermeister, zu Lesungen oder Diskussionen einlädt. Gäste waren schon Christoph Keller, Barbara Vinken, Clemens Meyer, Michael Krüger oder Albert Ostermaier. Am 10. Mai gibt es einen Poetry Slam – zusammen mit einem 3-Gang-Überraschungsmenü.

Cafe Luitpold, Brienner Str. 11, www.cafe-Luitpold.de

In unsere Reihe „Münchens Literarische Orte“ stellten wir bislang vor: Substanz, Autorengalerie, La Cantina, Vereinsheim, Streitfeld, Haidhauser Literaturbox1, Von-Parish-Kostümbibliothek, die Tolstoi-Bibliothek und Lesefüchse.
Ina Kuegler