Der Wahlmünchner McCarten widmet seinen Historienroman Thomas Alva Edison

Walker’s Cross, Michigan, 1929. Ein gebückter, alter Mann stiehlt sich aus einem Sonderzug, der ihm zu Ehren zu einem Jubiläumsempfang unterwegs ist nach Dearborn. Sein Luxusabteil ist abgedunkelt, und seine 18 Jahre jüngere Frau wacht darüber, dass er nicht gestört wird an diesem heißen, schwülen Sommertag: der berühmte Erfinder – Thomas Alva Edison.

Er weiß, dass sein Verschwinden bald entdeckt werden würde, aber er genießt noch für ein paar Minuten – vielleicht eine Stunde – die Ruhe in diesem ausgestorbenen Nest. Er hasst Empfänge wie diesen, zu dem er unterwegs sein muss. Und er hasst sich dafür, was er in seinem Leben alles angerichtet hat, obwohl die Menschen ihn dafür bewundern.

Der 1961 in Neuseeland geborene Autor und Wahlmünchner Anthony McCarten hat mit seinem neuesten Band „Licht“ einen schwungvollen Historienroman vorgelegt. Er beschreibt darin sehr bildreich die Begegnung zwischen Thomas Alva Edison, der seit seiner Kindheit fast taub gewesen ist, und dem Bankier J. P. Morgan, der so hässlich gewesen sein soll, dass sich die Menschen gaffend nach ihm umdrehten. 1878 taucht J. P. Morgan eines Tages bei Edison auf, der bereits etliche Erfindungen patentiert hat – darunter die Übertragungstechnik für Telegrafie und den Phonographen –, aber so verschuldet ist, dass er fast Insolvenz anmelden muss. Morgan überredet Edison mit ihm zusammenzuarbeiten und mit seiner gerade entstehenden Glühbirne und dem dazu benötigten elektrischen Strom erst New York und später die ganze USA zu illuminieren. Und das aus einem einzigen Grund: Diamanten funkeln nicht im Schein einer Gaslaterne! Thomas Alva Edison muss lernen wie ein Manager zu denken und zu handeln und überschreitet dabei sukzessive eigene und gesellschaftliche Schranken ethischen Handelns.

Denn die eigentliche Geschichte hinter dieser Männerfreundschaft, die McCarten uns erzählt, ist die des Aufbruchs in das Industriezeitalter mit weltumspannenden Konzernen wie General Electric, die am Rande der Legalität sich eigene Gesetzeswelten schaffen. Bei aller Leichtigkeit des Romans – er liest sich wie eine flotte Sommerunterhaltung – kann man „Licht“ auch als Parabel auf unseren Turbo-Kapitalismus lesen: Männer gehen buchstäblich über Leichen, aus Macht- und Geldgier.
Michael Berwanger

Anthony McCarten
Licht
Roman, 368 Seiten, gebunden
Diogenes Verlag, Zürich, 2017
24 Euro