Mit den Frauen kamen die Sozialpädagogen und die Sushi-Esser.

Sie sagten, gut, solange wir Sushi essen dürfen, sind wir bereit.

Die Sterilisation erfolgte unauffällig.

Zuerst wurden Tiere eingefangen, bekamen für ein besseres Zuhause einen Chip in die Schulter und wurden über Jahre gewaschen, gebürstet und hodenlos.

Dann kamen Flüchtlinge, und die pädagogischen Vereine freuten sich, besorgten Desinfektionsmittel. Doch die Flüchtlinge wichen einer Registratur aus, mieden auch die Sushi-Bars. Sie gründeten unter den Gräbern ihren eigenen Verein: Unsere Eier sind groß, nannten sie ihn.

Einerseits hörten das die Frauen gern, andererseits fühlten sie sich bedroht. Frau Kienholz war es, die im Fernsehen sagte, wer an die Eier tritt, sollte vorab die Schuhe ausziehen und nicht mehr Prosa reden, sondern singen. Ein Ständchen auf das Leben.

Eine Zeit für Streubomben, sagten die Amerikaner.

Grenzenloses Leben, aber mit Sterbehilfe, forderten die Sushi-Esser.

Es darf auch mal fischloser Fisch sein, ohne Gräten, schön warm gekocht, hielten die Ernährungspädagoginnen entgegen.

Wir schaffen auch das, sagten die Besorgten.

Und die Nostalgiker und Lobbyisten holten ihre verstaubten Aktentaschen hervor. Yes, we can, und rannten los, wurden aber von medialen Blockwarts aufgehalten. Nicht nach Amerika gehen, die Millenniumsfeier ist Geschichte! Neu-Jerusalem in Berlin bauen, da gehört es hin! Wir bleiben dabei, die Deutschen sind neu.

So geht das nicht, sagten Umsichtige. Wir müssen Splittern der Streubombe geschickt ausweichen. Das zu lernen, da benötigen wir Fachkräfte, viele, viele, die es vermitteln, sagten die Gierigen.

Ganz Clevere schlossen sogar, wir könnten eine Steuer einführen, für ein Bemalen der Splitter, Splitter sind bunt. Splitternde Vorfahrt vielleicht, oder modernes Ducken.

Nur vorübergehend das Niveau des Blicks senken. Bald sind wir dann frei. Also pädagogisch für ein integriertes Leben – provital, bioviral.

Yes, we can, wiederholten die Aktivistinnen und Geldgierigen. Der Rest ist von gestern.

Wir schaffen das schon, sagten die Frauen, wir müssen es nur wollen. Wer das Schaffen nicht schafft ist von gestern, vielleicht sogar Verbrecher. Er hat nichts gelernt. Moral gibt es nicht umsonst – warfen ihn hinterher, ihren Blick.

Die Männer lernen sowieso nichts, sagten die Energischinnen in den Talk Shows.

Moralisten antworteten, es gibt keine Unterschiede, alles ist gleich.

Ja, es gibt keine Grenzen, alles ist gleich. Was jetzt geschrieben wird, ist Gegenwartsliteratur, sagten die Jungen. Alles andere ist Geschichte.

Momentmal, fragten die Dummen, gestern wäre ja exklusiv, Geschichte könne gar nicht gewesen sein, wie ein schwarzes Loch, Inklusion ist immer und überall. Es gibt kein Gestern, kein Morgen, keine Grenzen, nur Hemmungen, wir sind Isis, haben das Mondschöne gesehen, vielleicht gekleidet in den Körper einer anderen, Kim Kardashian möglicherweise, wir sind als Mond in der Sonne mit dabei. Ich und ich bin Isis, ich bin die, die beim Sterben euch mit einem Lächeln begegnet. Ich bin Isis, die beim Shoppen euch den Verstand raubt. Ich bin Isis, die eine, die ich alles bin. Ich habe nur so getan, als sei ich steril. Nun sind die Parameter erweitert. Ich bin Isis.

Ich habe zwar keinen Verstand mehr, entgegnete der Idiot, (natürlich – ein Mann), aber ich habe auch nie einen gehabt. Ich bin der Narr, der alles falsch macht. Ich fresse mein eigenes Genital, wenn man mir damit den Mund stopft – denn ich bin Seth, der Hodenlose. Ich bin das Feuer des Bösen, ich habe meinen Bruder verraten und meiner Mutter Isis den Kopf abgeschlagen – ich habe ihr Kuhhörner aufgesetzt und mit List das Gift besorgt. Ich bin der nutzlos brennende Verstand, wenn ihr wollt, rede ich euch ein, es gibt Vergessen, spätestens, wenn ihr des Teufels seid. Oder an der Börse. Ihr könnt mich jeden Tag töten, und ob, ich gehöre dazu.

Du bist nichts, nur ein Kollateralschaden, sagte die  Polizistin mit Migrationshintergrund, sie hatte schon ihr Buch darüber geschrieben, ein voller Erfolg. Kein Vergessen. Es gibt keine Gnade.

Nein, nein, er ist nur ein Dichter, sagten die Erfolglosen. Wir dürfen auch ihn nicht vergessen. Er schreibt mit der Schreibhand. Schreibt sich ganz ohne Silben mit der Machete in ein brennendes Bett, er hat Adorno gelesen, keine Lyrik seit Auschwitz, bloß nicht an verbotene Wörter denken, werft eure Teile weg! Das Eigene. Weg! Weg! Nichts Griffiges, nichts Benennendes. Höchstens Vorwürfe. Beschreibt alles inklusiv und vielschichtig.

Sie wachsen nach, träumten die Pädagoginnen. Erst der Vertrag, dann das Geschlecht. Alles andere ist Diskriminierung. Nur so wird’s rund. Nur so wird’s global.

Das sind die Gegensätze, dachten die Ahnen im dämmrigen Schatten. Wir erfinden katzenloses Katzenstreu, das wird schon. Wir schaffen auch das.

Kristian Kühn, Februar 2016