Ganz sicher lesen die Herren nachts im Bett sehr lange in der Bibel, im 1. Buch Moses, unsere großen Literaturfürsten, die Herren Enzensberger, Krüger und andere. Diese aufregende Geschichte vom jungen Josef beispielsweise und der Frau des ägyptischen Beamten Potiphar, der Thomas Mann einige tausend Seiten gewidmet hat. Sie muss ihnen zu Kopf gestiegen sein, sie ist ja auch, sie hat was! Haben sich deshalb aus unserer Welt entfernt, die Herren, träumen von willigen Frauen, die, wenn abgewiesen, nach Rache dürsten? Fühlen sich nicht mehr verstanden. Verstehen: Ja, verstehen vieles nicht mehr. Jetzt müssen sie sich z. B. von der ZEIT, von der FAZ im hohen Norden vorwerfen lassen, „Münchner Spezlwirtschaft“ zu betreiben.

Anlass ist die Causa „Siegfried Mauser“, jener Pianist und Ex-Rektor der Münchner Musikhochschule, der kürzlich in zweiter Instanz von einer Strafkammer des Münchner Landgerichts (also nicht von einem Einzelrichter!) zu neun Monaten Gefängnis mit Bewährung wegen sexueller Nötigung verurteilt wurde. Nach dem noch härteren Spruch der Ersten Instanz haben unsere Litera-turgrößen in Leserbriefen die Justiz beschimpft, und Enzensberger, wohl die biblisch-heimtückische Frau des Potiphar leibhaftig vor Augen, meinte, jede Frau, die abgewiesen werde, sei eine „Tellermine“ und potentielle Rächerin. Wie das Gericht das nur verkennen konnte! Michael Krüger wollte als Präsident der Bayerischen Akademie der Schönen Künste sogar gewusst haben, dass seinem Freund Siegfried, ebenfalls Akademie-Mitglied, den er seit Jahrzehnten als anständigen Mann kannte, vor Gericht Unrecht geschehen war.

Beide Literatur-Granden kannten offenbar weder Akten noch Verfahren. Sie gingen von einem falschen Sachverhalt aus. Und sie hatten das Pech, dass die SZ ihre Sympathie-Leserbriefe groß aufmachte und, was heute jeder Schüler weiß, dass das Internet alles (wenn’s schlecht läuft, eben auch schwache Leserbriefe) bis in alle Ewigkeit speichert. Unglück auch für die verdienten Literaten: Es liefen weitere Strafanzeigen von anderen Frauen gegen Mauser ein, der einer Musikhochschul-Kollegin gegen deren Willen an die Wäsche gehen und ihr einen Zungenkuss aufdrängen wollte. – Der giftige Kuss der Justiz jetzt traf ihn überraschend aber zu Recht. Mauser, leider, ist nicht Josef.

Denkbar wäre ja gewesen – rein theoretisch auch unter alten Münchner Kultur-Kameraden –, dass man sich erstmal gründlich informiert und dabei womöglich herausfindet, dass die betroffene Frau durchaus glaubwürdig ist, und man könnte sich erinnern, dass, um bei der Musik zu bleiben, Donna Anna eben nicht nur augenzwinkernd in Mozarts Don Giovanni „verführt“, sondern vergewaltigt worden ist, auch wenn Programmhefte das gern verschweigen. Nicht jeder gute alte Spezl ist halt, wofür man ihn hält.
W.H.