Mit einem Buch fing alles an

Das Café Ruffini

Von Ina Kuegler

Am Anfang war das Buch. Knapp 40 Jahre liegt das jetzt zurück, und das Buch hatte den Titel „So einfach ist Theater“. Der Ratgeber wandte sich an Kinder, sollte Spaß vor und hinter den Kulissen machen. Verfasser war ein Kollektiv, eine Gruppe von Freundinnen und Freunden aus der Liebigstraße 39. Aus der literarischen WG um Eberhard Spangenberg entstand wenig später das Café Ruffini in der Orffstr. 22-24, ein Kollektiv bis in unsere heutigen Tage. Unverändert ist auch das Pfund, mit dem das Ruffini seit seiner Gründung wuchert: Kaffee und Kuchen, italienische Weine und (zumeist) mediterrane Küche – und ein Faible für Literatur.

Tante Tachtelwachtel aus der Eierschachtel – das war nur ein Tipp zum Maskenbau aus „So einfach ist Theater“. Eberhard Spangenberg und seine Crew wollten Kinder und Erwachsene inspirieren. Spangenberg hatte das Glück, dass er das Buch im Verlag der Eltern, dem Ellermann-Verlag, herausgeben konnte. Sein Vater, Bertold Spangenberg, war unter anderem der Verleger der Werke von Klaus Mann und führte den Streit um dessen Gustav-Gründgens-Roman „Mephisto“ bis vor das Bundesverfassungsgericht. „Mephisto“ sollte Eberhard Spangenberg noch viele Jahre begleiten – auch ins Café Ruffini. Dort in Neuhausen waren Spangenberg und seine FreundInnen, Nachfahren der 68er-Bewegung, 1978 fündig geworden: Wo Rainer Werner Fassbinder und Michael Ballhaus zwei Jahre zuvor den Film „Satansbraten“ gedreht hatten, wollten sie ihre Cantina gründen, und zwar als Kollektiv, ohne Chef.

Klein sollte das Café werden, ein Literatencafé, zum Lesen vieler Zeitungen und zum Kaffee-Trinken, ohne lästige Fragerei der Bedienung. Die Cantina wurde dann viel größer, unter anderem auch deshalb, weil das Kollektiv die benachbarte Konditorei mit übernehmen musste. In einer Ecke des Lokals entstand ein Bücherregal:„Wir wünschen uns“, so das Kollektiv im Herbst 1978 in einem Rundbrief, „dass du uns ein Exemplar deines Lieblingsbuchs in unser Regal stellst. Sicher kennst du ein Buch, von dem du gern hättest, dass es andere lesen“. Kein Buch, aber seine Kochkünste brachte ein halbes Jahr später das „Théâtre du soleil“ um Ariane Mnouchkine mit. Die international gefeierte Truppe, die beim Münchner Theaterfest mit „Mephisto“ gastierte, kochte und bewirtete ihr Ensemble im Ruffini.

Nicht immer waren die Gäste so berühmt wie Mnouchkine – aber schon die Stammgäste konnten sich sehen lassen: Neben Filmgrößen wie Volker Schlöndorff, Margarethe von Trotta, Barbara Rudnik, Vadim Glowna oder Christine Kaufmann speisten und tranken in der Orffstraße Peter Hamm, Michael Krüger, Tankred Dorst oder Tilmann Spengler. Die Liste der SchriftstellerInnen, die bei Lesungen im Ruffini auftraten, ist nicht weniger illuster: aus dem Ausland kamen unter anderem der Booker-Preisträger Graham Swift, Geoff Dyer, Einar Kàrason, Manuel Vàzquez Montalbàn, Meir Shalev, Mira Magén oder Davide Longo. Auch die deutsche Schriftstellerprominenz war (und ist) im Ruffini immer wieder vertreten: So trugen unter anderen Friedrich Ani, Sepp Bierbichler, Robert Gernhardt, Gert Heidenreich, Michael Lentz, Kristof Magnusson, Büchner-Preisträger Walter Kappacher, Hans Pleschinksi, Herbert Rosendorfer, SAID, Jochen Schmidt und Klaus Theweleit aus ihren Werken vor.

Lesungen im Ruffini gehen montags über die Bühne, denn da bleibt die Küche kalt, und das Café hat eigentlich Ruhetag. Sechs- bis acht Mal pro Jahr wird vorgetragen – die Auswahl trifft Helmut Maier vom Kollektiv: „Wir bieten einen Mix aus guter Belletristik, hochklassigen und auch mal lustigen Krimis und gelegentlich soziale und politische Themen“. Es ist auch ein Mix aus Nah und Fern: So werden in diesem Herbst u.a. die aus Israel stammende Schriftstellerin Lizzie Dorn aus „Sweet Occupation“ lesen und die gleich um die Ecke lebende Schauspielerin Michaela May. Aus der Nachbarschaft stammte auch der vor vier Jahren verstorbene Schauspieler und Rundfunksprecher Wolf Euba. Wenn er Texte von H.C. Artmann oder Ernst Jandl wisperte, grunzte, näselte oder lispelte, waren das Traumstunden im Ruffini.

Café Ruffini, Orffstr. 22 – 24,
80637 München, www.ruffini.de

In unserer Reihe „Münchens literarische Orte“ stellten wir bislang vor: Substanz, Autorengalerie, La Cantina, Vereinsheim, Streitfeld, Haidhauser Literaturbox 1, von Parish-Kostüm-bibliothek, Tolstoi-Bibliothek, Lesefüchse, Café Luitpold, Hörgang und die Mohr-Villa.