Mit dem Literaturpreis der Stadt München wird die Schriftstellerin Christine Wunnicke für ihr herausragendes literarisches Gesamtwerk geehrt. Der Literaturpreis ist mit 10.000 Euro dotiert und wird alle drei Jahre – alternierend mit dem Publizistikpreis und dem Übersetzerpreis – verliehen. Die für die Auszeichnung in Frage kommenden Münchner Schriftstellerinnen und Schriftsteller haben dazu beigetragen, München als Literaturstadt Geltung und Ansehen zu verschaffen. Die Vergabe hat der Feriensenat des Stadtrats nun in seiner Sitzung auf Empfehlung einer Jury beschlossen.

Die Begründung der Jury:
„Glücklich schätzen dürfen sich alle, auf die der Blick dieser Erzählerin fällt. Denn wie viele Merkwürdigkeiten, Kuriositäten und bislang oft unsichtbare Wesenszüge hat Christine Wunnicke den Figuren in ihren wunderbar bündigen Romanen, ihren Hörspielen und Radiofeatures zugeschrieben, obwohl deren meist historisch verbürgte Biographien ohnehin schon manch Erstaunliches zu bieten haben.
Nicht minder glücklich schätzen darf sich Christine Wunnickes Leserschaft. Denn was hätte sie sonst erfahren über den Poesiefabrikanten Fortescue, den transkulturellen Hysteriespezialisten Dr. Shimamura, die aus dem Geisterreich grüßende Piratentochter Katie und manch andere aus dem weiten Feld zwischen dem Japan arbeitsloser Samurais und dem Hollywood der Kino-Pioniere.
Es sind allesamt unbedingt bedeutsame, obwohl oft ziemlich vergessene Sonderlinge oder Kapazitäten, die Christine Wunnicke zu unserem Amüsement und Erkenntnisgewinn auf ihre Erzählbühne holt. Darunter auch der Wüstling John Wilmot, 2. Earl of Rochester, dessen berüchtigte Verse die studierte Literaturwissenschaftlerin unerschrocken ins Deutsche über- tragen hat. Sie alle verkörpern, nein keine Sternstunden, sondern kuriose Sternschnuppenmomente der Kultur- und Wissenschaftsgeschichte. Mit imponierender, ja bezaubernder Phantasie und kühnen Volten zwischen Fakten und Fiktionen erweitert diese Schriftstellerin unseren Blick auf geheime Hintergründe, Gegengeschichten und menschliche Komödien. Christine Wunnicke legt die Wechselwirkungen frei, die zwischen dem Bedeutsamen, dem Dämonischen, dem Komischen und dem Üblichen bestehen. Daraus schlägt sie, hochintelligent doch mit elegantem Understatement, die sprühenden Funken ihres eigenwilligen und kunstvollen Erzählens.
Christine Wunnicke wurde 1966 in München geboren. In Berlin und Glasgow studierte sie Linguistik, Altgermanistik und Psychologie. Seit 1991 arbeitet sie als freie Autorin und schreibt für verschiedene Hörfunksender Radiofeatures und Hörspiele. Ihr Debütroman ‚Fortescues Fabric‘ erschien 1999, bisher veröffentlichte sie neun Romane sowie eine Biografie über den Sänger und Kastraten Filippo Balatri. 2016 wurde sie für ihren Roman ‚Der Fuchs und Dr. Shimamura‘ mit dem deutsch-französischen Franz-Hessel-Preis für zeitgenössische Literatur ausgezeichnet. Christine Wunnicke lebt in München.“

Der Jury gehörten unter dem Vorsitz von Kulturreferent Anton Biebl an: Dr. Eberhard Falcke (Literaturkritiker), Professor Dr. Sven Hanuschek (LMU München), Judith Heitkamp (Bayerischer Rundfunk), Professorin Dr. Britta Hermann (Westfälische Wilhelms-Universität Münster), Michael Lemling (Buchhandlung Lehmkuhl) und Hans Pleschinski (Autor) sowie aus dem Stadtrat Thomas Niederbühl und Angelika Pilz-Strasser (beide Fraktion Die Grünen – Rosa Liste), Beatrix Burkhardt (CSU-Fraktion), Klaus Peter Rupp (SPD/Volt−Fraktion) und Tobias Ruff (Fraktion ÖDP/FW). Weitere Informationen zum Preis unter www.muenchen.de/literatur.

Quelle: Rathaus Umschau 147 / 2020, veröffentlicht am 05.08.2020