[LiSe 06/23] Kurzgeschichte: Mobilität

Von Ulrich Schäfer-Newiger

wo sind wir hier, Charlie? Das habe ich dir schon zweimal gesagt. Schluss jetzt. Hab’s wieder vergessen. Also sag’s! Nein! Doch sag’s! Nein! Sag’s jetzt! Auf einer Fußgängerbrücke über der Autobahn! Behalt dir’s jetzt, ich erklär’s nicht nochmal. Charlie, komm mal her. Sieh dir das an. Was denn? Da. Unter uns. Die Autos. Ja was? Es sind so viele. Ich kann sie gar nicht zählen. Ich auch nicht. (mehr …)

[LiSe 04/23] Kurzgeschichte : Der Laubbläser

Von Horst Oberbeil

Ich bin städtischer Laubbläser und als solcher saisonbedingter Quartalsbläser von September bis Dezember. Früher war ich Blechbläser, genauer gesagt Hornist, und ging zum Üben in den Wald. Doch eine Karriere blieb mir versagt. Ich hatte zu viele Tonausfälle. Der Dirigent sagte zu mir, ich sei kein Künstler, sondern ein Kiekser und schickte mich heim. Da hängte ich das Blech an den Nagel und beschloss, Laubbläser zu werden. (mehr …)

[LiSe 03/23] Kurzgeschichte: Willi, das Chamäleon

Von Paul Holzreiter

Der Kies knirscht, die Sonne blinzelt durch die Kastanien, der Willi, eben noch vor mir auf den Biertisch hingelümmelt, kriegt auf einmal einen weiten Blick. Er rappelt sich hoch, richtet sich hinter seiner Mass auf: „Ich bin ein Chamäleon.“

Ein Chamäleon? Der Willi? Wie kommt er denn da drauf? „Kack“, sage ich, „kack, bist du ein Chamäleon. Du bist der Willi!“ (mehr …)

[LiSe 02/23] Kurzgeschichte: Kneip-Tour

Von Ray Mohra

Um ins Laternchen zu gelangen, musste man nicht nur die massive Außentür aufziehen, sondern auch einen dicken, braunen und im Halbrund aufgehängten Vorhang zur Seite schieben, der wohl verhindern sollte, dass frische Luft von draußen hineingelangen konnte. Wer als Fremder zum ersten Mal das Laternchen betrat, hatte sich auf eine gewaltige Überdosis 1. FC Köln gefasst zu machen. Die Kneipe war voll mit Devotionalien des Vereins. Mannschaftsfotos von den Anfangszeiten der frühen 50er Jahre bis zur aktuellen Saison 1984 hingen beinahe überall. Über dem Tresen waren mehrere Vereinswimpel befestigt und ein Geißbock mit einer Decke auf dem Rücken, auf der Hennes stand, war der Blickfang im Thekenbereich. Die Luft hier drinnen hatte schon etwas Körperliches, es roch nach Zigaretten und Bier und der Lärmpegel der Kneipengäste wurde nur durch die Rock-Ola Musikbox übertroffen, die ihre rund siebzig Schlagertitel in unermüdlicher Rotation rauf- und runterspielte. Nicht nur musikalisch schien im Laternchen die Zeit vor vielen Jahren stehengeblieben zu sein. (mehr …)

[LiSe 01/23] Kurzgeschichte: Der Mo bin i

Von Paul Holzreiter

San amoi drei Mannsbilder mit der Eisenbahn g’fahr’n. Und zwar sans mit der Eisenbahn nach Schottland auffeg’fahr’n. San drei g’standene Mannsbilder g’wen, die drei. San no nia droben in Schottland g’wen, die drei. Der Mo, der wo da so g’scheit daherreden tuat und all’s darzählen tuat, der Mo bin i – obwohl i gar net dabei g’wen bin, damals, wia die drei nach Schottland auffeg’fahr’n san. Mir ham sa’s nur darzölt, die drei, wia dass des damals g’wen is drob’n in Schottland. (mehr …)

[LiSe 12/22] Kurzgeschichte: Ohne Yoga hätte ich das nicht überlebt

Von Monika Scheddin

März 2021 – ein Jahr Corona Pandemie, da sagt mir Pia: „Also ohne meine tägliche Meditation wäre ich nicht klargekommen“.

„Also ohne Yoga hätte ich das Ganze nicht überlebt“, sagt Karen. Sie zuckt nicht mit der Wimper, meint es also völlig ernst.

Hmmh, denke ich. Was hättest du denn gesagt? Vielleicht Kaffee, Kartoffeln und – SCHOKOLADE. (mehr …)