Der kühle Blick zurück auf das Literatur-Jahr 2017  kann uns  beruhigen, denn es war – jedenfalls im deutschen Sprachraum – so belanglos, dass wir unwillkürlich in die spannende Politik abschweifen und mit dem Dichter die Beschwörung formulieren „Kommt, reden wir zusammen, wer redet ist nicht tot…“.

Noch versuchen die Politiker, sich ohne die magischen Hände der Poesie aus der Affäre zu ziehen. (Zumal Gottfried Benn, von dem das Zitat stammt, nicht mehr helfen kann.) Das ist allerdings im letzten Herbst nach acht Wochen schon mal schiefgegangen. Allabendliche Bulletins von der Krankenstation ließen die Spannung knistern, bis schließlich ein forscher Porschefahrer die Sache platzen ließ als wäre ihm das ganze Stück sowieso egal. 

Das darf sich nicht wiederholen, denn das zahlende Publikum wünscht den positiven Ausgang mit donnerndem Applaus: Leichen am Wegrand, gerne. Geiselnahme, wunderbar! Menschenopfer, Indiskretionen, blutige Nasen und schmutzige Hände, alles kein Problem – nur bitte nicht wieder dieses Aufschaukeln von Spannung und dann der Abbruch! Diese sinnlose Performance kommt nicht gut! Hier muss jetzt ein Dichter als Schlichter ran! Oder besser: Als Beschwörer! Ein sensibler, ein kreativer Mensch! Eine Frau wäre denkbar – Petra Morsbach etwa, die gerade einen dicken Roman über Menschen in der Justiz verfasst hat. Sie ist aber zu wenig bekannt. Man weiß nicht, wie sie den Medienrummel managen würde.
Franzobel , käme in Frage – immerhin hat er den Schiffbruch-Roman „Das Floß der Medusa“ verfasst. Aber aber: er ist Ausländer, sogar Wiener! Das geht gar nicht. Auf ihn hören sie nicht in Berlin! Daher besser: Jan Wagner, der Poet.

Wagner bewegt sich im poetischen Sprachfeld von Kräutern, Gewächsen, Koalabären. Glyphosat-resistent! Er kennt sich aus mit traditionellem Versmaß und hat renommierte Preise aus Leipzig und Darmstadt im Gepäck, sodass er finanziell unabhängig auftreten und sich den passenden Maßanzug leisten kann. Nur ihm wäre die kluge Auswahl von Giersch, Rosen oder gar Lorbeer zuzutrauen in der feinen, homöopathischen Dosierung, die seinen Versen eigen ist! Einzig Jan Wagner könnte auch im „Beichtstuhlgespräch“ mit Merkel und Schulz Melisse, Ringelblume und Minze gut mischen, eventuell auch etwas Fango auf den Rücken geben, ganz ruhig durchbluten lassen, Dämpfe steigen auf – ein Kompromiss-Orakel wird raunend ertönen. Die Stimme der Gottheit?

Deshalb heißt es jetzt, ganz ruhig weitermachen und zur Not darf der Poet mit dem Schierlingskraut aus dem Köfferchen drohen. Poetisch verhandeln bis zur Lösung, selbst Jamaika könnte noch einmal hereingebeten werden, Kenia gerne, alles auf Null, bitte: Jetzt, die Politik ist am Ende, es schlägt die Stunde der Poesie!

W.H.