Von Wolf Amberg

Die Prothetik, Herr Kollege, die Prothetik bringt Ihnen natürlich ein Vielfaches. Dieser Zahn zum Beispiel, hier auf dem Foto, wenn Sie den nur füllen, rechnen Sie nette 70 oder 80 Euro ab beim Kassenpatienten und sind nach einem halben Jahr praktisch ruiniert. Wenn Sie weiter so kleckern! Mit Füllungen wie vor 20 Jahren werden Sie es niemals zu einem guten, und das heißt auch finanziell erfolgreichen Zahnarzt bringen, niemals. Denken Sie daran. Gerade hier auf dem Land, im Bayerwald. Und Sie haben sich ja nicht zufällig bei mir hier draußen beworben – hier wollen die Menschen keine Füllungen mehr, grundsätzlich keine billigen Füllungen mehr, verstanden?

Am Hasenbergl in München zum Beispiel, ja – Sie wollten doch auch ursprünglich ans Hasenbergl gehen? Oder Neuperlach, na gut. Hasenbergl bedeutet Amalgamfüllung, Billigmedizin. Viechtach hier bei uns, das heißt Gold-Medizin. In der Großstadt außerdem, holen Sie sich garantiert AIDS, Herr Kolleg, die Menschen in der Großstadt sind ahnungslos promisk wie im Dschungel, unter uns gesagt, mein Lieber Herr Kolleg, das wissen Sie ja selbst! Schauen Sie mal, Sie diffundieren mit dem Bohrer, wenn Sie auch nur einen Zehntelmillimeter abrutschen. Die Mikropartikel, das Blut, der ganze Dreck wirbelt dann ins Blut – und wer wäre noch nie abgerutscht ins Weiche, das ist doch nur menschlich!

Wir Zahnärzte leben nicht ungefährlich. Wenn Sie nicht konsequent mit Vollmaske arbeiten, von Anfang an, haben Sie doch das Virus blitzschnell im Auge, an der Bindehaut, auf den Lippen – Dschungelbedingungen, wie gesagt!

Hier draußen dagegen, bei Viechtach, auf dem Land, absolut klare, katholische Konditionen! Und das heißt: Sie haben eine Überlebenschance, echt! Aber vor allem, Sie brauchen nichts Billiges zu nehmen, Amalgam sowieso nicht mehr – diese Menschen hier, diese einfachen Menschen, die zahlen doch gern drauf. Auf dem Lande nur das Teuerste, kann ich nur sagen, meine Erfahrung: Krone, Brücke, Implantat!

Sie können also etwa diesen Eins-Fünf, sehen Sie mal hier oben – die Menschen sind ja durch und durch katholisch und kariös verseucht hier bei uns – elegant überkronen und seinen Eins-Vier-Nachbarn gleich mit – schad’ doch nichts! Fragt doch keiner! Vorbeugen ist besser als heilen, sage ich. Mein Lieber, kein Vergleich mit dem Hasenbergl übrigens, wo Ihnen schon die Schulkinder durch diese Reihenuntersuchungen komplett verloren gehen, Spaß muss sein. Hier jedenfalls, bei uns im Bayerwald: Massenhaft kariös zersetztes und parodontoses Material! Und die Leute sagen zu mir, Herr Doktor, sagen die, zum Mercedes gehört einfach auch ein strahlendes Gebiss! Auch wenn sie sehr spät darauf kommen. In vielen Fällen, Herr Kolleg, in den allermeisten genaugenommen, ist es freilich zu spät, ist auch für eine kunstgerechte Brücke, lege artis, immer lege artis! Längst zu spät, nichts mehr zu retten, denn in drei, vier Jahren fällt das alles wieder raus. Aber es zählt ja jeder Tag unseres Glücks, nicht wahr, gemeinsamen Glücks! Und außerdem bin ich quasi der einzige Zahnarzt in diesem Nest hier, ehrlich gesagt, denn der eine Konkurrent ist schwerer Alkoholiker und der andere schon tattrig, so muss ich praktisch alles nehmen, was kommt und brauche dringend einen Assistenten, brauche Sie dringend, Herr Kolleg, bekomme ja kaum einen in meine Praxis hier draußen im Wald!

Füllen Sie zum Beispiel diesen Zahn auf gar keinen Fall, sondern schleifen Sie ihn zusammen mit dem gesunden Nachbarn runter, fertigen Sie ein schönes Provisorium, dann eine hübsche Krone über alles – das ist solide Arbeit und bringt Ihnen das Neunfache einer Hasenberglfüllung – es sei denn, Sie wollen unbedingt Inlays – auch haltbar und gesund, bitte, wenn Sie unbedingt wollen. Aber, ich habe Sie gewarnt.

Die Menschen hier draußen kümmern sich ja erstmal 40 Jahre lang um nichts, gehen in die Kirche, beichten, arbeiten, heiraten usw. Ich sage Ihnen, ich habe hier Gebisse gesehen, das glauben Sie nie! Genau wie bei den Aussiedlern, die wir jetzt haben. Wolgadeutsche zum Beispiel, Politik interessiert mich nicht. Aber wir haben jetzt 450 Wolgadeutsche undsoweiter herbekommen, drunten am Fluss, in den Baracken, man hat wohl in München gedacht Wolga ist Donau, aber auch der Wolgadeutsche ist letztlich ein tüchtiger Mensch, machen Sie ihm das klar, für eine kleine Zuzahlung zum Kassenzahn hat er eben dann auch Halt fürs ganze Leben!

Vorsorge? Bei 7.000 Bewohnern, das macht praktisch 200.000 Zähne – wie soll ich da Vorsorge treiben, selbst wenn ich wollte? Die Kinder, die Bauern, die Frauen, die Wolgadeutschen! Haben Sie mal einem Wolgadeutschen in den Mund geschaut? Ich habe im letzten Jahr gerade mal etwa 300 Kronen geschafft, 150 Prothesen. Sie können sich ausrechnen, in wie vielen Jahren das ganze Nest auch nur einmal durchsaniert ist. Und Gold ist allemal besser als Natur. 1.300 Punkte zu elf Cent rechnen Sie beim Kassenpatienten ab, bei den anderen das Dreieinhalbfache! Dazu noch eine kleine Aufbaufüllung, ein Provisorium – das lohnt sich doch. Ein, zwei Stunden und Ihr Patient strahlt wieder und ist vor Karies sicher. Das sitzt wie eine Hose aus Gold auf Ihrem Zahn, sagen Sie ihm, bombenfest, sagen Sie dem Patienten und vor allem: er fühlt sich dann endlich kerngesund!