Von Michael Berwanger

Ein Kriminalroman lebt weniger von seinem Plot, als von der Verkommenheit seiner Protagonist*innen. Im neuen Roman des Dachauer Autors Florian Göttler wird das genüsslich durchexerziert: Ein Münchner Kommissar lässt sich nach seinem Burnout in die Provinzialität des Dachauer Hinterlands versetzen, in der Hoffnung, dort zur Ruhe zu kommen. Doch was findet er? Gierige Bauunternehmer, käufliche Kommunalpolitiker, zudringliche Kirchenmänner und eine nationalistische Dorfbevölkerung. Das klingt alles etwas übertrieben, aber wer sich – wie der Rezensent – in der Geschichte und den Gepflogenheiten des Dachauer Landkreises auskennt, weiß, dass das nicht weit hergeholt ist.

Es ist wunderbar, dem Autor zuzusehen, wie er mit Geschichtsklitterung aufräumt. Auch der vermeintlich volksnahe Räuber Mathias Kneißl kommt dabei nicht gut weg. Dazu bevölkern noch herzhaft gezeichnete Figuren den fulminanten Plot, in dem es teilweise sehr derb zur Sache geht.

Alles wäre gut, wenn nicht … ach, wenn nicht ausgerechnet die weibliche Hauptfigur als dauergeiles junges Flintenweib daher käme. Schon nach dem ersten Viertel des Romans will man die Formulierung „hart erigierte Nippel“ nicht mehr lesen. Dabei steht der Autor nicht im Ruf ein sexistischer Macho zu sein, eher das Gegenteil. Also denkt sich der Rezensent, kann man den Florian Göttler ja mal anrufen und ihn danach fragen. „Ich wollte“, meint er dazu „eine Figur schaffen, die nicht dem Klischee des dirndltragenden Hascherls entspricht, sondern eine selbstbewusste junge Frau, die sich ihren Sex holt, wann SIE dazu Lust hat.“

Gute Idee, aber leider kommt das so überhaupt nicht rüber. Ein beherztes Lektorat hätte ihm das alles rausgestrichen. Das gab’s aber nicht, weil das Buch als „Book on Demand“ erschienen ist, also quasi im Eigenverlag. Jedoch nicht beim Autor direkt, sondern bei „Twentysix“, dem Self-Publishing-Verlag, der zu „Random House“ gehört.

Diesen Konzernen muss es schon arg schlecht gehen, wenn sie jetzt auch noch die Selbstausbeutung der Autoren-im-Eigenverlag abgreifen müssen. Schon Umberto Eco hatte 1988 in „Das Foucaultsche Pendel“ Verlage gegeißelt, die ihre Eigenkosten auf die Schriftsteller*innen abwälzen. Solche Autor*innen, die erst den Druck selbst bezahlen und dann am Ende auch noch aus Eitelkeit den Restposten aufkaufen, würden bei den Verlagen verächtlich als AER bezeichnet werden – „Autoren eigener Rechnung“.

Florian Göttler:
Ein Heimatlied von Gier und Grausamkeit
Roman, Broschur, 420 S.
Twentysix
Norderstedt 2020
15 Euro