Donald Duck und Bayern oder so

Von Katrin Diehl

Gedacht war das anders. Nämlich so: In München geht‘s los mit der Wiesn und zeitgleich liegt in Buchläden, Kiosken, Zeitschriftenecken der neue Comic-Band des „Disney-Konzern“ aus. Titel: „Donald Duck in München“. Darauf die uns allen so vertraute, breitschnäbelige Comic-Ente. Dieses Mal in Seppl-Hose, einem Wiesn-Herzl (für „Daisy“) auf der Brust unterm Matrosenkragen, die vierfingerige Knubbelhand hält  eine Brezn in die Luft und los geht’s beschwingt über den Marienplatz – das Neue Rathaus und die Frauenkirche stehen hinten brav Kulisse –, dazu noch ein seltsames Ding von grünem Hütchen mit Wisch (Gamsbart?), das schwebend überm runden Donald-Entenkopf Schritt zu halten sucht. Alles klar. „Donald Duck in München“ eben. Ein nettes Mitbringsel, ein Gag, ein Erinnerungsstück, ein schmaler, leichtgewichtiger bunter Comic.

Die Wiesn 2020 ist ausgefallen. Aber weil so eine Buchproduktion ihre Vorlaufzeit hat und, ist sie mal in Gang, kaum zu stoppen ist, gab’s den Band ohne Wiesn, was so schlimm nicht ist, weil die nächste kommt bestimmt. Auch sonst, das heißt nach der Lektüre, lässt sich in heiterer Gelassenheit weiterleben und über die paar grantelnden Besprechungen der lokalen Presse, die‘s zum Band gab, großzügig hinwegsehen. Na ja. Da wird korrigiert und gemeckert, dass dies und das nicht stimme, dass es am Ende gar nicht um München gehe, sondern einfach um alles, was sich irgendwo im Land vor den hohen Alpen befinde. Stimmt! Absolut richtig! Und so ist das immer schon gewesen (Ausnahmen bestätigen die Regel), wenn sich Donald Duck, seine drei Neffen Tick, Trick und Track, vor allem Onkel Dagobert Duck, der ewige Geldaufhäufler, der die Handlung bestimmt und dem die Panzerknacker ständig dicht auf den Fersen sind, ins Abenteuer stürzen. Wobei es gefühlt eher so ist, dass sich das Abenteuer auf diesen wilden Haufen stürzt, ihm beinahe physikalisch seine gesamte kinetische Energie verpasst und ihn, einmal damit abgefüllt, über den Erdball düsen lässt. Es ist immer so gewesen, dass mit viel Halbwissen, viel flacher Typisierung und einem Haufen Ungenauigkeiten an einem Zeichentisch (gibt es den überhaupt noch?) weit weg ein eigenes Spiel getrieben wird. Und so kann man sich dann beim Schauen und Lesen 15 Minuten lang runter lassen auf diesen locker sitzenden Kinderhumor, kann diese unglaublichen Wutausbrüche dieser oder jener Ente genießen („Psst! Die Leute gucken schon“, Donald Duck), überlegen, welches Verhältnis man selbst eigentlich hat zum unermesslichen Reichtum von Dagobert (Neid?), kann sich mitreißen lassen vom rasenden Tempo, verbunden mit Ortswechseln über Ländergrenzen hinweg („Zur gleichen Zeit in …“).

Alles beginnt auf der Wiesn, wo Dagobert Duck in einer Art Biergarten (!) sitzt und unbedingt einen „Eierkuchen“ serviert bekommen möchte. „Das ist kein Eierkuchenfest! Es gibt’s keinen Eierkuchen, klar?“, brüllt ihm der Wiesn-Kellner in seltsamem Bayerisch entgegen. Und plötzlich geht’s um Eier, dann um eine Maschine, die aus Bananenschalen genau diese produzieren kann, was für Dagobert Duck nach einer lohnenden Investition riecht, damit die Panzerknacker auf den Plan ruft, die am Ende – Dank der Schlauheit von Tick, Trick und Track – doch geschnappt werden, nachdem die dumpfe Verbrecherbande sich im Deutschen Museum kurzerhand auch noch der dort ausgestellten Oldtimer bedient hatte. Ja, ja. Wir wissen es. Das „Verkehrszentrum“ hat seit Jahren seinen eigenen Standort, die Autos sind nicht mehr im Haupthaus auf der Museumsinsel zu bewundern, sondern eben „Am Bavariaring“. Und so ist einfach so gut wie alles falsch in diesem Enten-Band. Er ist zum Lachen, zum Kichern und äußerst gut dazu geeignet, den Mädchen und Buben der Münchner Grundschulen in übrig gebliebenen „HSU“-Stunden die reizvolle Erlaubnis zu erteilen, alles rot ankreuzen zu dürfen, was nicht stimmt (nehmen wir zum Beispiel nur diesen Satz: „Unterdessen überschlagen sich auf den Wiesen die Ereignisse.“). Sie werden ihre allergrößte Freude haben.

Walt Disney: Donald Duck in München
Comic, gebunden
48 Seiten
Egmont Comic Collection, Berlin 2020
9,99 €