Sabrina Schmatzs Comic „München 1945“

Von Katrin Diehl

Es wird geliebt, auch wenn die Welt in Trümmern liegt. Kriegsruinen gerieren zu bloßer Kulisse, Schuld, Sorgen, Traumata verschwinden für Glücksmomente in der zweiten Reihe, bis sie sich wieder Bahn brechen und ihren Tribut verlangen: einer Auseinandersetzung damit, was da geschehen ist, zum Beispiel in den vergangenen zwölf Jahren. Denn wir schreiben das Jahr 1945, befinden uns in München. Der Krieg ist zu Ende und es sind vor allem die amerikanischen Soldaten, die die Menschen mit ihrer jüngsten Vergangenheit konfrontieren, ihnen – ob sie das nun verstehen oder nicht – deutlich machen, dass das mit Nazi-Deutschland over ist. Over. Over. Over. Danach gehen diese Menschen wieder ihrer Wege, schlagen sich durch Berge aus Steinschutt, suchen nach Existenziellem, vor allem nach Orientierung.

Eigentlich wollte die am Manga-Stil orientierte Comic-Zeichnerin Sabrina Schmatz, 1983 in München geboren, eine Liebesgeschichte aufs Papier bringen. Weil sie Liebesgeschichten einfach mag. Da sie dafür aber auch ein Setting brauchte, zudem „multiinteressiert an allem Geschichtlichen“ ist und auch gerade die US-Fernsehserie „Band of Brothers“ verfolgte, die amerikanische Soldaten durch drei Jahre Zweiter Weltkrieg „begleitete“ – von deren Vorbereitung in verschiedenen Camps, über die Landung in der Normandie, bis zum Betreten der Konzentrationslager – wurde das kriegszerstörte München kurz nach Ende des Krieges zum Ort des Geschehens. Sabrina Schmatz baute zusammen, was schwer zusammen zu denken ist, fast nicht zusammen gedacht werden möchte: die Trivialität einer Liebe trotz alledem, die beinahe trifft wie ein Blitz und die sich in kaum einem Medium besser und triefender darstellen lässt als im Comic. Und dann sind es auch noch und sehr ausdrücklich eine deutsche Krankenschwester, Konstanze, und ein amerikanischer Sanitäter, Daniel, die sich da ineinander vergucken. Ein waghalsiges Unternehmen also, mit Klippen und vielen Balance-akten … Sabrina Schmatz ist sich dessen bewusst, wagt es trotzdem, „auch mit dem Gedanken, zusätzlich Menschen ansprechen zu können, die jetzt für so Nur-Liebesgeschichten nicht so viel übrig haben“.

Zuerst veröffentlichte Sabrina Schmatz ihre zu Panels gewordenen Ideen in kurzen Abschnitten auf dem Online-Portal Animexx, wo sie viel Zuspruch erhielt. Der Weimarer Comic Verlag „Schwarzer Turm“ wird auf „München 1945“ aufmerksam, macht aus der Story sechs Bände, die wiederum dem Carlsen Verlag im Hamburg, dem Comic-Verlag Deutschlands, auffallen …, „ein absoluter Glücksfall“, wie Sabrina Schmatz sagt. Carlsen bündelte die Ausgaben zu zwei Bänden, von denen der eine gerade erschienen ist, der andere noch in Arbeit, „in Aufbereitung“. „Daran sitze ich gerade, weil ich ja für Carlsen zum Beispiel einige Sequenzen nachkoloriere“, sagt Sabrina Schmatz.

Für „München 1945“ recherchiert sie u. a. im NS-Dokumentationszentrum, lernt dabei „schrecklich viel“, geht Münchner Straßenzüge ab, holt sich Bildbände vom zerbombten München. Auch Hitler hat seinen Auftritt im Comic. „Das war schon speziell“, erinnert sie sich, „und damit ich dessen Ausdruck hinbekomme, habe ich mir auch Reden von dem angehört, und das ist dann schon sehr seltsam, weil man sich dann immer auch von außen betrachtet in dieser seltsamen Situation…: Da sitzt jemand und hört sich Reden von diesem Hitler an…“

Der Comic, Bleistiftzeichnungen mit skizzenhaftem Charakter, hat, trotz leicht zu folgendem Plot, etwas Forderndes, Sprödes: Da ist die Nähe zum Trivialen, wo historischer Ernst erwartet wird, da ist die Selbstverständlichkeit, mit der das Amerikanische der Protagonisten nicht übersetzt wird, da sind die die Kapitel einleitenden authentischen Zitate („die habe ich beim Recherchieren gefunden“) ohne jede Kommentierung. Es tauchen – bei abzählbarer Personage – der obligatorische Widerständler auf (Konstanzes Vater), aber auch Unbelehrbare zeigen sich, dann die ganz Jungen, völlig Indoktrinierten, die die Welt nicht mehr verstehen, daneben die Älteren, die es schwer verkraften, sich von Amerikanern etwas sagen lassen zu müssen. Und über allem und allen schweben Alltags- wie Existenzsorgen, Angst und das bange Warten auf Vermisste. Dazwischen Konstanze und Daniel, ein einziger, süßer Lichtblick.

Sabrina Schmatz: München 1945, Gesamtausgabe 1
Carlsen Verlag, Hamburg 2021, 180 S.
24 Euro