Das Writers-in-Exile-Programm des deutschen PEN-Zentrums nimmt sich verfolgter Schriftsteller, Journalisten und Verleger an.

Enteignet ist seine Sprache“, schrieb Theodor W. Adorno zur Situation der aus Nazideutschland geflüchteten Exilschriftsteller. Immer schon waren diejenigen, deren Handwerk die Sprache ist, den Mächtigen ein Dorn im Auge, traf sie deren Verfolgungsfuror, wurden sie mundtot gemacht, verboten, eingesperrt, verbannt, umgebracht, heute wie eh und je. Angesichts dieser elenden Tatbestände und auch auf Grund des im letzten Jahrhundert begangenen Unrechts durch die Deutschen wollte das deutsche PEN-Zentrum nicht länger untätig bleiben und gründete mit finanzieller Unterstützung der Bundesregierung 1999 das Writers-in-Exile-Programm. „Momentan gehören wir zu den aktivsten der über 140 weltweit existierenden PEN-Zentren“, sagt Franziska Sperr, Beauftragte des Programms. „Wir arbeiten zusammen mit dem Writers-in-Prison-Programm des PEN und mit anderen NGOs (Non-Governmental Organizations), etwa Reporter ohne Grenzen oder Human Rights Watch, organisieren Kampagnen und nutzen diplomatische Kanäle, um den in Bedrängnis geratenen Personen zu helfen. Den iranischen Schriftsteller Faraj Sarkohi haben wir buchstäblich von der Folterbank geholt. Das geht, wenn der Druck von höchster Stelle, etwa dem Auswärtigen Amt, erfolgt.“ Aktuell sind es sieben Exilschriftsteller, die von Sperr betreut werden und auf vier Städte verteilt, nämlich in München, Nürnberg, Hamburg und Berlin leben. Die Wohnungen werden manchmal von der gastgebenden Gemeinde bezahlt, meist jedoch vom WiE-Programm, das Staatsministerium für Kultur und Medien hat die Kosten für die Stipendien übernommen. Sie sind zunächst auf ein Jahr befristet und können höchstens zweimal verlängert werden.

Denkt man an die Flüchtlingsscharen, die derzeit nach Deutschland drängen, wirken sieben Schicksale wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Doch der Einsatz des PEN für die schreibenden Kollegen ist nicht übertrieben. Diese Menschen, die einzig mit Worten gegen die Untaten eines diktatorischen Regimes angehen, müssen ihren Einsatz und ihren Mut oft bitter bezahlen, und so ist die Aufnahme in das WiE-Programm meist die letzte Rettung. Nach jahrelangen Drangsalierungen, nervenaufreibenden Fluchtwegen, bürokratischer Willkür sind die Autoren häufig traumatisiert und bedürfen der besonderen Hilfe. Franziska Sperr ist sich der Verantwortung bewusst, die da manchmal auf sie zukommt. „Sie sind wie meine Kinder, zumal sie oft sehr jung sind. Da wird jedes Schicksal für mich fast zu einem persönlichen Anliegen. Sie so nah ranzulassen hat natürlich auch seine Nachteile, aber ich mach’s halt so. Und ich mache es unglaublich gern.“ Dabei strahlt sie eine gewisse Zuversicht aus. „Ich bin ja nicht allein, habe Betreuer und freiwillige Helfer unter den PEN-Mitgliedern. Wir stellen Traumatherapeuten zur Verfügung, Studenten auf 400-Euro-Basis helfen bei Behördengängen, sind Ansprechpartner bei Problemen, die der Alltag so mit sich bringt.“

Bereitet die Gewöhnung an eine fremde Kultur und Lebensweise schon genug Schwierigkeiten, ist es vor allem die Sprache, deren Verlust als Ausdrucksmittel den im Exil lebenden Schriftsteller besonders hart trifft. „Ein Autor, den in seiner Heimat alle kennen, hier aber keiner, fällt erstmal in ein großes schwarzes Loch“, sagt Sperr, die selber Autorin und Journalistin ist und intensiv nachfühlen kann, wie es ihm ums Herz ist. „Die eine Sache wäre unsere Sprache zu lernen. Und da scheiden sich sozusagen die Schicksale. Autoren, in deren Ländern die Literatursprache Englisch oder Französisch ist, tun sich leichter damit, anderen, etwa aus dem arabischen oder asiatischen Raum, fällt es dagegen sehr schwer. Alles muss dann über einen Dolmetscher gehen, und das ist mühselig. Vor allem bei Lesungen und Diskussionsveranstaltungen, mittels derer wir versuchen, den hierzulande ja völlig unbekannten Autor mit seinem Werk einem deutschen Publikum vorzustellen. Wir bemühen uns auch um Kontakte zu Verlagen, Übersetzern und Redaktionen, durchaus mit Erfolg. So ist das Buch, das unser Stipendiat aus Georgien, Zaza Burchuladze, fast fertig mitgebracht und hier vollendet hat, jetzt im Aufbau-Verlag mit dem Titel adibas erschienen. Ein schonungsloser Roman über die marode Boheme-Szene in Tiflis während des Krieges zwischen Russland und Georgien.“

Und wie geht es weiter mit den Menschen, wenn ihr Stipendium abgelaufen ist? Wenige kehren zurück, aus Heimweh, sofern sich die politische Situation im Herkunftsland gebessert hat, oder aus der Überzeugung, trotz Schwierigkeiten und Verfolgungen dort besser aufgehoben zu sein. Die meisten jedoch beantragen Asyl und bleiben hier. „Eine gewisse Anpassung ist dabei nötig, doch es kann nicht sein, von ihnen zu fordern, sich komplett zu integrieren und sich selbst zu Deutschen zu machen. Sie sollen ihr Anderssein leben können, dürfen – um ein anderes Wort Adornos aufzugreifen – ‚ohne Angst verschieden sein‘.“ Aus ihrer Arbeit mit Menschen im Exil habe sie gelernt, das Fremde nicht als Bedrohung, sondern als Bereicherung der eigenen Kultur zu begreifen. Für Franziska Sperr und ihre Mitstreiter ist das ein großer Gewinn.
Katrina Behrend Lesch