Häschtäg oder hächtäsch schwirrte es plötzlich Ende des letzten Jahres ständig aus dem Fernseher durchs Zimmer, egal wo man saß oder sah, wie eine Motte, aus Jauch, Will oder Maischberger oder war es jäschkläsch, egal, einige Male konnte man mit der Hand danach schnappen, aber es wich geschickt aus. Ich hatte es noch nie gehört oder gesehen. Andere, die total PC-affin sind, händeln das Wörtchen sicher schon seit Jahren, mag sein, aber unsere Welt klafft ja längst himmelweit auseinander, Parallelwelten! Oder war das wieder eines dieser Worte und Dinge, die plötzlich auftauchen und meist genauso schnell wieder verschwinden. Sicher irgendwas Manipuliertes, das in die Werkstatt zurückgerufen und umgerüstet werden muss, Anfang des Jahres, spätestens, häschtäg, Gesundheit!

Die Franzosen mit ihrer Commission générale de terminologie et de néologie, die ja seit Jahrzehnten alles Anglo-amerikanische bekämpfen, als wäre es der Todesterror schlechthin, haben unverzüglich qua Amtsblatt „Hashtag“ durch das Wort „mot-dièse“ ersetzt – unter großem Gelächter im Internet. Wir Deutsche pflegen eher eine Willkommenskultur. Wenn man am Kiosk an der Ecke unten, wo die Männer mit den offenen Gesichtern und Bierflaschen stehen, allerdings nach dem Wörtchen fragte, meinte einer nur: „An Häschtäsch mog er ham, da geh her, a Watschn kannst ham!“ Aber ein anderer, der Sepp Blatter seltsam ähnlich sah, fiel ihm ins Wort: „Lass ihn, Franz, er sucht doch nur Kontakt mit uns.“ Der Psychotherapeut lehnte sich im Sessel zurück, öffnete die Nüstern zur entscheidenden Schneide-Frage und spielte die Übung „Augenkontakt“: „Herr Enzensberger, seit wann also fühlen Sie sich als Häschtäg, wenn Sie das noch mal genau schildern wollen?“ Man fragte sich, wie er den Autor dieser Zeilen (Parallelwelt?) mit dem berühmten Dichter verwechseln konnte, aber naja, er ist auch schon über 60, und sah in den Zeitungen die Balken mit Sepp Blatter, Deutsche-Bank-Vorstand und VW-Abgasskandal, gewohntes Gelände endlich wieder, fasste Mut und Fuß. Häschtäsch schließlich konnte alles sein, vielleicht auch ein Hoax!

Erst kürzlich hatten wir von einem (inzwischen verstorbenen) Freund erfahren, was ein Hoax präzise ist, sollten
es aber nicht weitersagen, und genauso machen wir’s mit Häschtäg, wird sicher demnächst Wort oder Vogel des Jahres, Tor des Monats, schweigen wir’s doch lieber wieder tot, machen wir diese ganzen lästigen Zeilen rückgängig, es hat sie nie gegeben, hässlich wie es ist, oder machen wir’s wie die ganz ganz Großen, kehren es unter den Teppich zusammen mit Beckenbauer, Blatter, Winterkorn und Wendelin Wiedeking – wer das alles war oder ist und unter welchen Teppichen die Herren zusammen mit Häschtäg oder Hoax leben, werden wir auch bald vergessen
haben.
WH