Vor 60 Jahren wurde die Bayerische Akademie der Schönen Künste gegründet

Von Katrina Behrend Lesch

Wenn sich an einem nasskalten Vorweihnachtstag gegen sechs Uhr vor dem Eingang der Residenz auf dem Max-Joseph-Platz eine Menschentraube bildet, dann ist Akademiezeit. Diesmal war es Heinrich Bölls 100. Geburtstag, der für Gedrängel an der Pforte sorgte. Da mag sein Name, der im Nachkriegsdeutschland zu den wichtigsten unter unseren Schriftstellern zählte, an Bedeutung verloren haben, wenn die Akademie ruft, ist der Andrang groß, und sicher trug neben Gert Heidenreich und Sven Hanuschek als Referenten auch Regisseur Volker Schlöndorff dazu bei. Seine Verfilmung der Böll’schen Erzählung „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ von 1975 führte seinerzeit einem großen Publikum eindringlich vor Augen, wie machtlos der Einzelne einer zur Massenhysterie angeheizten öffentlichen Meinung.ausgeliefert war. Geändert hat sich daran nichts, damals war es eine gewisse Boulevardpresse, heute wabern Verunglimpfung und Hetze durch die sozialen Medien.

Eine Diffamierung stand in gewissem Sinn auch hinter der Gründung der Bayerischen Akademie der Schönen Künste. Als sie 1948 vom Freistaat Bayern als „oberste Pflegestelle der Kunst“ ins Leben gerufen wurde, hatte sie sich mit der Diffamierung von Kunst und Kultur durch den NS-Staat auseinanderzusetzen und an der Wiedergutmachung zu arbeiten. Wilhelm Hausenstein war unter den Anfangspräsidenten wohl der integerste, Hans Egon Holthusen dagegen als ehemaliger SS-Mann umstritten. Als dann der Verleger Heinz Friedrich die Präsidentschaft übernahm, wehte neuer Wind durch die Räume, zumal die Akademie nach den ersten Jahren im Prinz-Carl-Palais in den Königsbau der Residenz gezogen war . Eine noble Bleibe für eine noble Einrichtung, die in ihrer Satzung festlegt, „die Entwicklung der Künste ständig zu beobachten, sie in jeder ihr zweckdienlich erscheinenden Weise zu fördern oder Vorschläge zu ihrer Förderung zu machen.“ Ferner hat sie die Aufgabe, „einen Beitrag zur geistigen Auseinandersetzung zwischen den Künsten sowie zwischen Kunst und Gesellschaft zu leisten und für die Würde der Kunst einzutreten.“

Was unter diesen „hehren“ Worten zu verstehen ist, erläutert Michael Krüger, derzeitiger Präsident, recht pragmatisch. „Die Akademie vergibt Preise. Die wichtigsten sind der Thomas-Mann-Literaturpreis, der Horst-Bienek-Preis und der Rainer-Malkowski-Preis für Lyrik sowie der Ernst-von-Siemens-Musikpreis. Sie organisiert Veranstaltungen zur Situation der Künste in Bayern, rund hundert im Jahr. Ich denke mir die übergreifenden Themen aus und koordiniere sie mit den einzelnen Sparten. So zum Beispiel läuft momentan eine Reihe über den Körper, da referiert als nächste die Bildende Kunst, danach ist die Musik dran. Das macht das Ganze lebendiger, lustiger, die Verknüpfung eines Themas mit den verschiedenen Künsten. Es gibt auch Publikationen darüber, leider noch viel zu wenig. Des weiteren fördert die Akademie das Gespräch zwischen den Künstlern, beobachtet Tendenzen in der Kunst und weist auf Fehlentwicklungen hin, etwa in der Architektur. Beispiel Haus der Kunst, dessen Renovierung eine Richtung annehmen könnte, die wir nicht gutheißen.“

Krüger zur Seite stehen die Direktoren, die die einzelnen Sparten vertreten: Winfried Nerdinger für die Bildende Kunst, Hans Pleschinski für die Literatur, Peter Michael Hamel für die Musik, Dieter Dorn für die Darstellende Kunst und Bernhard Sinkel für die Film- und Medienkunst, die als letzte und jüngste Abteilung dazugekommen ist. Nicht zu vergessen die Mitglieder der Akademie, ordentliche und korrespondierende, die in einem komplizierten Verfahren vorgeschlagen und gewählt werden. Da es eine Ehre ist, Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste zu sein, wird niemand etwas gegen seine Aufnahme einzuwenden haben. Naturgemäß ist die Abteilung Literatur sozusagen die „auflagenstärkste“, werden neben Schriftstellern auch Leute aufgenommen, die sich um die Literatur verdient gemacht haben. Michael Krüger vereint beides in sich, den ehemaligen Verleger und den Immernoch-Schriftsteller. So ist die neue Veranstaltungsreihe Literatur am MOntag, in der einmal im Monat ein Akademiemitglied oder Gast seinen Lieblingsschriftsteller oder -schriftstellerin vorstellt, „ein freier Spaziergang durch die vielfältigen Reiche der Dichtung“. Und durchaus eine Herzensangelegenheit für Krüger, der sich zum Auftakt der Reihe dem literarischen Einzelgänger Wolfgang Koeppen gewidmet hat. Als nächster Dichter steht Adalbert Stifter auf dem Programm (5.2.).

Seit fünf Jahren ist Michael Krüger im Amt. Anfangs sei es sehr arbeitsreich gewesen, viel Organisation, viele Sitzungen. Das Geld war knapp, der Staat hielt sich zurück. Jetzt teilen sich zwei Mittelgeber die Kosten, der Staat hält den Betrieb aufrecht, die Friedrich-Baur-Stiftung finanziert weitestgehend die Veranstaltungen. Ob ihm seine Arbeit Spaß mache. Wenn eine Veranstaltung gut läuft, sagt Krüger, dann habe er Spaß. Ist sie langweilig, langweilt er sich auch. Wobei er und seine Mitarbeiter das ja selbst in der Hand haben, mit denThemen, den Referenten, den Protagonisten, die sie sich ins Programm holen. „Namen locken“, sagt Sylvia Langemann. Sie schöpft aus dreißigjähriger Erfahrung, in denen sie sich als Sachbearbeiterin der Abteilung Literatur um die Einladung der Gäste und den rei-bungslosen Ablauf der Veranstaltungen kümmert. „Dann sind die Vorträge voll, und wir haben Mühe, alle Interessenten unterzubringen. Die wenigsten kommen, wenn eine Veranstaltung über Lyrik mit Schneesturm zusammenfällt. Dann haben wir viele freie Plätze.“