Von Ina Kuegler

Eine Hommage der Virtuosen von heute an die Meister von damals – so nennen die beiden Lyriker Tristan Marquardt und Jan Wagner ihre Anthologie „Unmögliche Liebe“. Das Buch vereint die wichtigsten Werke des mittelhochdeutschen Minnegesangs und dessen Übertragungen durch zeitgenössische Lyriker wie Ulrike Draesner, Nora Gomringer, Ursula Krechel, Birgit Kreipe, Daniel Bayerstorfer, Marcel Beyer oder Durs Grünbein. Entstanden sind 141 Rendezvous, ein Brückenschlag zwischen dem 12./13. Jahrhundert und unserem Jahrtausend.

Eröffnet wird der 300-Seiten-Band durch ein Vorwort des Münchner Lyrikers Tristan Marquardt. Marquardt ist u. a. Mitinitiator des Großen Tags der jungen Münchner Literatur. Erst Mitte Januar hatte er ein Event im „Import Export“ mit 30 LyrikerInnen aus der Landeshauptstadt organisiert. In seinem Vorwort zu „Unmögliche Liebe“ gibt der promovierte Mediävist eine Einführung in den Minnegesang, in dessen Zentrum das Minneparadox steht: Ein Minnesänger wirbt und singt um eine Frau – von ihr geliebt zu werden ist allerdings ein Ding der Unmöglichkeit. Entstanden ist der Minnegesang – nach voran gegangener Dominanz lateinisch verfasster Literatur durch die Geistlichkeit – Mitte der 12. Jahrhunderts in der höfischen Gesellschaft. Berühmtester Minnesänger war Walther von der Vogelweide. Niedergeschrieben wurde der Minnegesang in Sammelhandschriften, die am Ende des 13. und im 14. Jahrhundert entstanden sind.

In der Anthologie „Unmögliche Liebe“ sind verschiedene Liedtypen aufgenommen – das Spektrum reicht von „Du bist min/ich bin din/des solt du gewis sin“ bis hin zu Oswald von Wolkensteins „Got geb eu einen gueten morgen“. Bei diesem Wolkenstein ist Durs Grünbein wohl eher eine Nachdichtung geglückt, während es bei anderen „Rendezvous“ zu gänzlich neuartiger Poesie unerfüllbarer Liebe kommt. Das Original wird übertragen und imitiert, und das kann frech, bescheiden, kühn oder ehrerbietig ausfallen. Eine akademische Übersetzung des Mittelhochdeutschen ins 21. Jahrhundert will „Unmögliche Liebe“ (übrigens entstanden in Zusammenarbeit mit dem Lyrik Kabinett München) mitnichten sein. Vielmehr ist diese Anthologie ein animierend schöner Band mit Sprach- und Wortspielen zeitgenössischer LyrikerInnen, die Lust darauf machen, sich auch die alten Texte wieder anzuschauen.

Tristan Marquardt/Jan Wagner (Hrsg.)
Unmögliche Liebe
Die Kunst des Minnegesangs in neuen Übertragungen
zweisprachig, 304 Seiten
Carl Hanser Verlag, München 2017
32 Euro