200 Jahre Zensur – eine Ausstellung im Deutschen Museum zeigt Fälle aus 200 Jahren 

Von Stefanie Bürgers

Zensur ist doch Geschichte! Der Fall von Jan Böhmermann beweist das Gegenteil. Aus dessen satirischem Erdogan-Gedicht wurden einige Verse vor Gericht verboten. Der „Spiegel“ machte daraus eine Story – das dazugehörige Titelblatt des Magazins ist jetzt im Deutschen Museum zu sehen: Die Sonderausstellung „Geschwärzt Verboten Verbrannt“ zeigt noch bis Mitte März Beispiele für Zensur aus den vergangenen 200 Jahren.

Schwere Türen am mächtigen Portal, zu dem eine wuchtige Steintreppe führt – der Eingang zum Lesesaal des Deutschen Museums kommt einem wie der Weg zur Zensurbehörde vor. Das Foyer aus den frühen 20er Jahren, nüchtern, sachlich, hoch, wirkt einschüchternd und passt als Ausstellungsort gut zum Thema. An der Garderobe hängen die Reader wie die Zeitungen in einem Kaffeehaus. Vier im Karree aufgestellte Buchvitrinen präsentieren die Exponate, eine internationale Auswahl von Büchern, die Spielarten und Techniken von Zensur zeigt. Offen ausgesprochene Verbote sind das eine, ergänzt durch Methoden wie in Verruf gebracht, totgeschwiegen, im Kulturbetrieb ausgebremst. Zensur erfolgt aus staatspolitischem Machterhalt, zum Schutz der Persönlichkeitsrechte, aus religiösen oder moralischen Gründen, zum Jugendschutz. Zensur kann subtil sein: Der Autor findet keinen Verleger, Werke werden von Literaturlisten für den Unterricht entfernt. Starker Druck erzeugt Selbstzensur oder Verzicht auf Schriftstellerei. Zensiert werden einzelne Passagen oder ganze Werke, im schlimmsten Fall das Gesamtœuvre eines Autors, auch wenn einzelne Texte gänzlich unpolitisch sind.

Zensur trifft alle Gattungen der Literatur – das zeigt die Ausstellung im Deutschen Museum deutlich: „Pippi Langstrumpf“ von Astrid Lindgren erfuhr vielfach Eingriffe und Verbote, so in der DDR, da nicht konform mit pädagogischen Werten. Auch in der BRD wurde Pippi mehr Respekt gegenüber Erwachsenen aufgenötigt. Heutige Aktualisierungen gehen gegen Rassismus vor. Pippis Vater ist jetzt „Südseekönig“, nicht „Negerkönig“. Das Jugendbuch „Harry Potter“ von J. K. Rowling stand in den USA wegen Gewalttätigkeit, schwarzer Magie, Blasphemie und Tod regelmäßig auf Index-Listen der „Banned Books Week“. Ein Buch für Kleinkinder „And Tango makes three“ wurde 2014 wegen offenen Umgangs mit Homosexualität in Singapur aus öffentlichen Bibliotheken entfernt. Als man gegen derartige moralische Beschränkungen demonstrierte, wurde das Buch wenigstens Erwachsenen wieder zugänglich.

Ein prominentes Beispiel für Zensur ist die aus dem Iran stammende graphic novel „Persepolis“ – das Regime in Teheran befand, die Errungenschaften der Islamischen Revolution würden falsch dargestellt. In den USA kam das Buch 2014 auf die Liste der „banned books“ wegen Folterszenen und Kraftausdrücken. Ein anderes Beispiel für Zensur ist das Streichen aus dem Schullehrplan – so geschehen mit Texten des polnischen Autors Czeslaw Milosz. Pablo Neruda gehört zu den Autoren, deren gesamtes Werk – auch die unpolitischen Liebesgedichte – noch nach seinem Tod von der chilenischen Militärjunta verboten wurden.

Ein Kuriosum ist Thomas Bernhards Verbot der Veröffentlichung seines Werks „Holzfällen“. Die Protagonisten im Roman tragen Züge real existierender Personen, ehemaliger Freunde von Bernhard, und fühlten sich verunglimpft. Dem Autor genügte es nicht, dass er den Streit um die Verletzung von Persönlichkeitsrechten gewann und die Freiheit der Kunst obsiegte. Er untersagte dem Verlag den Verkauf des Buches in Österreich, jedoch ohne Erfolg. Zensur hat eben viele Gesichter.

Geschwärzt Verboten Verbrannt. Deutsches Museum, Foyer der Bibliothek. Tgl. 9-17 Uhr. 12 €. Noch bis 15. März.