1814 war doch jenes Jahr, als Bayern tatsächlich Tirol an Österreich abgab und Napoleon zum Nachdenken nach Elba geschickt wurde. Scrawlen wir weitere 100 Jahre rückwärts und richten unser durch 69 Friedensjahre empfindsam geschliffenes Fernglas auf das Jahr 1714, so sehen wir Österreich in einen seiner Türkenkriege ziehen, und dazwischen, in Frankfurt (a. M.) anno 1759, entdecken wir – Goethe! Den neunjährigen Knaben, wie er verletzte, verwundete und verstümmelte Männer sieht, die durch die Straßen der Stadt am Karfreitag, dem 13. April, zurückgeschleppt werden vom Schlachtfeld in Bergen, dem heutigen Bergen-Enkheim, einen Steinwurf von Frankfurt entfernt. Das elterliche Haus, am Hirschgraben, gerade frisch renoviert, war schon im Januar 1759 von französischen Soldaten besetzt worden. Graf Thoranc, 40, lebte monatelang dort mit seinen Leuten. Der Vater des Dichters entging (als Anhänger Preußens) wegen einer unbeherrschten Äußerung nur knapp französischer Militär-Gefangenschaft und Tod. Dennoch schildert Goethe das alles in leicht amüsiertem Ton, als er es 1810 in „Dichtung und Wahrheit“ zu Papier bringt, und das bleibt auch so.

Die Kanonade von Valmy, die „Campagne“ in Frankreich sollte nicht sehr viel anders bebildert werden, und über die Ereignisse 13 Jahre später – Goethes Weimarer Haus am Frauenplan wurde während der Schlacht Napoleons bei Jena ebenfalls von Soldaten besetzt – schwieg der Dichter sich aus. Die Verwundeten, so wird in Dokumenten berichtet, verbluteten schreiend vor Schmerzen auf dem Schlachtfeld von Jena – die „schöne Literatur“ dagegen wandte sich den strahlenden Siegern zu oder schwieg. Die Qualen der Soldaten, die Schreie von Mann und Pferd wurden wenig beschrieben, wenig gelesen. Der Krieg hatte meist eine gute Presse, seine Schrecken vergaß man schnell, und so mag es schon sein, dass vor 100 Jahren, wie wir jetzt allenthalben lesen, die deutschen Soldaten anfangs von einer Woge der Begeisterung nach Verdun und Allenstein (alias Tannenberg) getragen wurden.

Die deutschen Dichter dagegen teilten im Juli/August 1914 keineswegs, wie heute viele Journale melden, in ihrer Mehrheit Ernst Jüngers Kriegshurra, auch nicht die Münchner wie Heinrich Mann, Feuchtwanger, Brecht, Wedekind; nicht zu vergessen die Österreicher Kafka und Georg Trakl oder weiter im Norden Tucholsky oder Remarque. Rilke fabulierte schmerzergriffen von „Kriegsgöttern“.

„Although it was a clear French victory…Ferdinand was able to slip away…“, so schmerzfrei schildert dagegen English Wikipedia das Gemetzel vor Goethes Haustür anno 1759, in dem Ferdinand von Braunschweig und die Preußen besiegt wurden. Auf Deutsch heißt es zackig : „Verluste: Frankreich 4000; Preußen 2373“.
W.H.