„Die Weltliteratur wird von Übersetzern gemacht“, sagte der portugiesische Nobelpreisträger José Saramago. Die Bibel, die antiken Philosophen, Shakespeare sind erst durch ihre Übersetzung zu Allgemeingut geworden. Seit der Goethe-Zeit gilt Deutschland als klassisches Übersetzerland. Heute ist fast jedes zweite belletristische Buch eine Übersetzung. Doch die Lage der Übersetzer ist prekär.

Man stelle sich das mal vor: Eine Kindheit ohne Pippi Langstrumpf, Pinocchio und Mickey Maus, ein Heranwachsen ohne das Fiebern auf den nächsten Harry Potter, kein Asterix, Herr der Ringe, keine Emma Bovary, Anna Karenina und wie sie alle heißen, die so vertrauten Figuren, die unser Leben begleiten und unsere Fantasie beflügeln. Wer beherrscht schon so gut Französisch, Russisch, Englisch oder Schwedisch, um sie in ihrer Originalsprache aufzuspüren. Wir wären ihnen nie begegnet, hätten mit ihnen nicht gelacht, um sie nicht geweint, wir wären, kurz gesagt, ein Stück ärmer. Wenn es sie nicht gäbe, die Literarischen Übersetzer. Sie sind es, die uns den Zugang zur Weltliteratur öffnen, die Tore aufstoßen zu anderen Kulturen, Lebensformen, Denkungsarten. Sie tun es gerne und mit Leidenschaft, zeichnen Farben und Töne der anderen Sprache nach, tüfteln an Redewendungen, gehen auf Entdeckungsreise nach Wörtern, bringen uns Romanhelden aus fremden Welten erfahrbar nahe. Sie sind für die grenzüberschreitende Verbreitung von Literatur sozusagen lebensnotwendig. So hat Martin Luthers Bibelübersetzung, bei der er „dem Volk aufs Maul schaute“ und mit seiner kräftigen und bilderreichen Ausdrucksweise sprach- und stilbildend für Jahrhunderte wirkte, das Wort Gottes erst richtig unter die Leute gebracht. Und noch bis vor ein paar Jahren wäre ein Theater ohne ein Shakespeare-Stück in der Schlegel-Tieckschen Übersetzung gar nicht ausgekommen.

Dennoch wurden Übersetzer in der Vergangenheit, von einigen rühmlichen Ausnahmen abgesehen, nur als Randerscheinung wahrgenommen. Dass man sie im Buch überhaupt nannte ist die eine Sache, dass man ihre Arbeit entsprechend würdigte, vor allem in der Bezahlung, die andere. Als Übersetzerin, sagte Anke Caroline Burger anlässlich der Preisverleihung des Christoph-Martin-Wieland-Übersetzerpreises 2003, lebe man von der Hand in den Mund, für nennenswerte Rücklagen reiche die Bezahlung eigentlich nie. Auf Phasen hektischer Betriebsamkeit folge oft monatelanges, quälendes Hoffen und Bangen auf den nächsten Auftrag. Indes hatte das allgemeine Aufbegehren gegen diese Situation bereits angefangen. 2002 war das neue Urhebervertragsrecht in Kraft getreten, wonach Übersetzer zu Urhebern ihrer Übersetzungen wurden, was sie vorher offensichtlich nicht waren. Die Auseinandersetzungen, die nun zwischen gewerkschaftlich organisierten Literaturübersetzern und Verlagen über eine angemessene Vergütung begannen, zogen sich bis 2011 hin und wurden schließlich vom Bundesgerichtshof entschieden. Was nicht besagen will, dass alles befriedet ist.

Damit man sich eine Vorstellung machen kann: Vor 2002 bekamen Übersetzer ein sogenanntes Normseitenhonorar (30 Zeilen à 60 Anschläge) laut Börsenverein zwischen 12,50 und 16,60 Euro. Damit war ihre Arbeit abgegolten, am Verkauf des Buches waren sie nicht beteiligt, bei Bestsellern ziemlich ärgerlich. Trotz gewisser Verbesserungen kommen sie auch heute laut VdÜ-Erhebung im Schnitt auf nur 1000 Euro im Monat, günstige Umstände, zusätzliche Preise, Stipendien etc. inbegriffen. Die beklagenswerte Verdienstlage soll bereits zu einem Nachwuchsschwund geführt haben, bei den jungen Leuten sei wahrscheinlich das Bewusstsein gestiegen, sich nicht mehr ausbeuten zu lassen, sagt Hinrich Schmidt-Henkel, Vorsitzender des Verbands deutschsprachiger Übersetzer (VdÜ). Der Börsenverein hingegen spricht von einem durchschnittlichen Monatsverdienst von 3.300 Euro. Wobei es natürlich erhebliche Unterschiede gebe zwischen Übersetzern mit bzw. ohne Namen. Erstere können sich ihre Aufträge aussuchen und werden von den Verlagen entsprechend hofiert, ein Anfänger muss erstmal sehen, wie er zurechtkommt.

Ohne Übersetzungen kein Kulturtransfer wissen gerade auch kleinere Verlage, die sich der Literatur nicht gängiger Länder annehmen. Der A1 Verlag etwa mit Büchern aus Indien, Palästina, der Mongolei oder Kenia. Einesteils ist hier die Sprach- und Interpretationskunst des Übersetzers besonders beansprucht, andrerseits ist solch „fremde“ Literatur ungleich schwerer verkäuflich. Dass ihre Arbeit angemessen honoriert sein will, ist begreiflich, gleichzeitig graben sich Übersetzer, so will es scheinen, mit ihren Honorarforderungen das Wasser ab. Die Befürchtung, dass nur mehr schnell konsumierbare Ware übersetzt und verlegt wird, keine Zeit und kein Geld mehr für die Entdeckung weiterer Perlen der Weltliteratur da sind, unser Austausch mit fremden Kulturen und Literaturen verarmen würde, ist nicht von der Hand zu weisen. Glücklicherweise gibt es immer noch die leidenschaftlichen Büchernarren, die es nicht so weit kommen lassen. Arno Schmidt, selbst ein bedeutender Übersetzer, brachte es auf den Punkt: Sind doch ,Bücher’ mehr, / als nur ein, in unnütz-dünne / Scheiben geschnittener / Klotz KiefernSchliff: sind / ,Weltknospen an unserer Welt’!
Katrina Behrend Lesch

Auf der Website des VdÜ, Verband deutschsprachiger Übersetzer,  www.literaturuebersetzer.de findet man viele nützliche Ratschläge und hilfreiche Links.