1926 als Kino erbaut, nach dem Krieg kurzzeitig Operettenbühne, Ende der 60er die Disko „Blow up“, seit 1977 Spielstätte des Theaters der Jugend, ist die SCHAUBURG heute ein offenes Haus, in dem ein junges Publikum Theater in vielfältigen Formen erlebt.

Von Stefanie Bürgers

Eine Burg, trutzig, gar verstaubt? Keineswegs. „Mit jeder Inszenierung suchen wir, der Komplexität, der Lebensrealität unseres Publikums gerecht zu werden“, so Dramaturgin Anne Richter. Während es in der Kleinen Burg unmittelbare Theaterbegegnungen für die jüngsten Zuschauer gibt, wie z.B. Holperdiestolper (Ensembleproduktion), Peter und der Wolf (von Thomas Holländer und Markus Reyhani, nach Prokofiew), bietet die Große Burg mit ihrer räumlichen Mobilität eine ideale Spielstätte für immer andere, neue Sitz- und Sehweisen. Das war nicht immer so.

Kinder wieder an Literatur, Sinn und Ästhetik heranzuführen lag nach der geistigen und materiellen Zerstörung der Nazizeit vielen Menschen am Herzen. So entstand 1953 in Privatinitiative die Münchner Märchenbühne, aus der später das Theater der Jugend wurde. Dann kamen die 68er, und es entwickelte sich etwas völlig Neues. Beeinflusst vom Theater „Rote Grütze“ und dem „Grips“ aus Berlin traten Alltagsbelange der Kinder auf die Bühne. Bis dahin waren sie passive Märchenbetrachter, jetzt wurde ihre Erlebniswelt wichtig, oft konnten sie sogar mitmachen. „Stokkerlok und Millipilli“ von Volker Ludwig und Rainer Hachfeld und „auf etwas schießen, bis es kaputt ist!“ von Helmut Walbert waren die ersten Schritte in diese Richtung. Keine Hexe als Fixpunkt des Bösen, keine gute Fee als Rettungsanker und vor allem kein Erwachsener, der eingreift. „Antiautorität“ im Rampenlicht, das gefiel nicht jedem. Doch die Theatermacher wie Norbert J. Mayer oder Jürgen Flügge ließen sich nicht beirren. Dabei war die damalige SCHAUBURG für eine experimentelle Spielweise ungeeignet. Erst unter Leitung von George Podt wurde Anfang der 90er Jahre ein perfektes, multifunktionales Theater daraus.

Die derzeitige Intendantin Andrea Gronemeyer hat für die verschiedenen Spielstätten prägnante Namen gewählt. In der Kleinen Burg ist die Atmosphäre intim, die Schauspieler sind zum Greifen nahe, und die Kinder werden aktiv eingebunden. Etwa in der Spielfassung des Bilderbuchs „Auf der Mauer, auf der Lauer“ von Olivier Tallec. Zwei Schauspieler, „Rot“ links, „Blau“ rechts, beobachten, belauern sich. Wer kann was besser? Wer hat mehr? Im Oval rund um die Bühne sitzend, folgen die Köpfe der Kindergartenkinder dem Geschehen von links nach rechts und wieder zurück. Ein Kind lacht, ein anderes sucht Schutz auf dem Schoß der Erzieherin, ein weiteres hält sich die Ohren zu. Die Lösung bahnt sich an in Gestalt eines Vogels in den Farben rot und blau.

Szenenwechsel in die Große Burg. „Frühlings Erwachen“ von Frank Wedekind für die 14jährigen, diesmal klassisch inszeniert. Richter erläutert: „Die Bearbeitung literarischer Vorlagen ist ein Teil des Konzepts. Wedekind hat wichtige Themen der Pubertät, wie Leistungsdruck, Entdecken der Sexualität und Infragestellen der geltenden Normen aufgegriffen. Wir fanden das Drama über 100 Jahre nach seiner Entstehung erschreckend aktuell und relevant.“ Eine Guckkastenbühne gewährt Einblick in die biederen Räume der engen bürgerlichen Gesellschaft zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Die Schauspieler tragen puppenhafte Masken, bewegen sich steif, wie Automaten. Dass am Ende ein Selbstmord steht löst Betroffenheit bei den Besuchern aus, die sich querbeet aus den oberen Klassen aller Schulformen rekrutieren. Die Große Burg kann aber auch anders. Im Auftragswerk „Ich lieb dich“ von Kristo Sˇagor für Menschen ab acht, kurz 8+, sitzen die Zuschauer*innen auf ansteigenden Bänken sehr nahe links und rechts der Bühne, einem Spielplatz im doppelten Sinn. Dort treffen sich ein Junge und ein Mädchen. Sie entwickeln die Frage: Was ist Liebe? Wann ist etwas Liebe? Eingeflossen in das Stück sind Vorstellungen und Gedanken acht- bis zehnjähriger Grundschüler.

Ein ganz anderes Format ist der Poetry Slam. Er darf in einem Haus für junges Publikum nicht fehlen. Zum Erlernen der Dichtkunst veranstaltet die SCHAUBURG regelmäßig Workshops. Hier wird unter Anleitung von Münchens erfolgreichsten Slammer*innen an den Texten gefeilt. Großes Theater im Foyer der SCHAUBURG hingegen bei den U20-Poetry Slams. Wer um die 20 ist, kann mit Stand up poetry, Story telling oder Rap das Publikum mitreißen. Das hat sprachlich Klasse, poetischen Charme und beweist oft auch Stehvermögen und Mut. Jeder Auftritt wird unmittelbar von einer Jury aus Theaterprofis und Publikum bewertet. Und das ist noch nicht alles! Das SCHAUBURG LAB (Laboratorium) lädt junge Menschen ein, aktuellen Themen wie zum Beispiel Gleichberechtigung, Gemeinschaft und Gerechtigkeit auf „theatrale“ Weise nachzuspüren und ein Bühnenstück zu entwickeln.

Die Zukunft wird weiter Neues bringen. „Ein ständiges Suchen und Forschen ist Teil des künstlerischen Prozesses“, so die Dramaturgin. Man darf gespannt sein!