Kennen Sie den schon? „Kommt ein Chinese auf den Nockherberg …“ Stopp, stopp, keinesfalls Chinesenwitze hier zur Starkbierzeit! Wir wagen es nicht, das hochliterarische Genre des „Chinawitzes“ in die Kolumne einzuführen, als wären das jetzt plötzlich unsere Nachbarn, die Chinesen – Ostfriesen, ja, Schweizer auch und „Ösis“ – selbstverständlich! Aber ist China Nachbar? Sind wir reif dafür? Und Witzeleien angesichts unserer Abhängigkeit von „seltenen Erden“, von SUV-Absatzmärkten und Pandabären? Seit das Corona-Virus aus Wuhan in aller – pardon – Munde ist, wissen wir erst, wie Unrecht wir dem großen Visionär und Exkanzler K. G. Kiesinger getan haben, seine Warnung „China, China, China“ leichtfertig in den Wind zu schlagen. Zwar haben wir in Oberbayern auch eine bedenkliche Virus-Neigung, nämlich 25 % mehr als im letzten Jahr allein im Vergleich der vierten Kalenderwoche und da ist der Fasching noch gar nicht mitgerechnet, der uns einander so gefährlich nahebringt! Peinlich aber, es ist nur das ordinäre Grippe-Virus.

Literarisch betrachtet, und viele ertragen ja das Leben nur noch aus dieser Warte, war, wir erinnern uns, das Jahr 1983 china-bahnbrechend, als Handke seinen „Chinesen des Schmerzes“ herausgab und Rosendorfer die „Briefe in die Chinesische Vergangenheit“.
Das war so etwa 15 Jahre nachdem J. L. Godard in Paris mit „La Chinoise“ die Maoisten-Debatte aufgenommen hatte. Und Handke lieferte damals immerhin einen Mord, inneren Disput und intellektuelle Anleihen bei „Schuld und Sühne“. Humorist Herbert Rosendorfer dagegen nahm in der Maske eines aus der Zeit gefallenen Mandarins Deutsche Moral und Marotten aufs Korn und reflektierte sie satirisch. Schon klar, welches Werk zum Dauer- Bestseller wurde.

Bereits vor gut hundert Jahren und nahezu vergessen hatte auch ein junger Berliner Arzt eine Chinoiserie verfasst. Er beendete 1913 den Roman „Die drei Sprünge des Wang-Lun“. Dr med. Alfred Döblin konnte das Buch allerdings erst im Kriegsjahr 1915 veröffentlichen und auf eine Konfuzius entgegengesetzte Tradition des fernöstlichen Nachbarn aufbauen, das „Wu-Wei“ des Taoismus. Jene Kunst der inneren Stille, der Passivität, die uns stets zur richtigen Entscheidung führt, ganz ohne Absicht. Der Held Wang Lun greift freilich zur Waffe gegen den übermächtigen Kaiser, dreht und wendet sich ideologisch und endet schrecklich – das alles dargestellt in neuem, expressionistischem Stil. Döblin konnte nicht wissen, dass noch ein zweiter entsetzlicher Krieg auf ihn „wartete“. Mit Vertreibung, Katholizismus und Rückkehr als französischer Soldat.

China längst vergessen. Jetzt ist es wieder präsent! Also, wenn Sie, geneigter Leser, zufällig einem Chinesen begegnen, versunken im tiefsten Wu Wei, dann bitte – nix wie rauf zum Nockherberg mit ihm, ins bayerische Wu-Wei-Zentrum!

W.H.