In diesem Winter tragen wir unseren Schal wieder locker, leicht geschürzt und lässig, fast wie einst der große Theodor Storm, denn wir wissen, eigentlich schon seit der Story von Gordios 333 v. Ch., das feste Schnüren bringt‘s nicht, irgendwann kommt ein Alexander und löst ihn ja doch oder zerschlägt ihn, den Knoten. Vor sechs Jahren war das noch anders, als der Feldherr KT von und zu Guttenberg seinen weißblauen Edelschal kälberstrickartig vor der Brust knotete , und die Männer ihm brav folgten, die Wählerinnen ihm zu Füßen lagen – vorbei .

Etwa 100 Jahre, bevor der große H.M. Enzensberger in Berlin-Friedenau, Fregestr.19, jene berüchtigte, etwas verfallene Göring-Villa preiswert kaufte, in den 60ern des letzten Jahrhunderts, ganz in der Nähe von Grass, Uwe Johnson und Max Frisch, und wir wissen nicht, mit welchem Schal, wurden Storm und Fontane zusammen im Café Kranzler gesehen. Storm, der übrigens nächstes Jahr 200 würde, mit einem mächtigen, aber reichlich abgenutzten, sehr locker verlaufenden Schal.

Inzwischen gibt es einen illustrierten Band über dieses Berliner Landhaus, in dem der Lyriker Enzensberger angeblich mit Dutschke, Rabehl und anderen Helden der „68er Revolte“ diskutiert und mit Sicherheit Fidel Castro versteckt haben soll, den man niemals mit einem lockeren Schal um den Hals gesehen hat, denn nicht Schuhe oder PKW-Marke verweisen auf Macht-Charakter und Sexualcharme, sondern der Schal-Knoten, und Fidel weiß das! Fontane notiert, dass Storm damals, kaum im Kranzler , sogleich in ein „lyrisches Verhältnis“ zur Bedienung trat, ohne die Knüpfung seines eigenen Schals im Winter 1862 zu erwähnen.

Sein Geld war knapp damals, er hätte den berühmten Kollegen Storm gern bei sich zu Hause bewirtet, der drängte aber ins lärmige Kranzler, wo Uhland, Lenau und Mörikes „feine Dichtung“ auf dem Gesprächsmenü standen, was in der Fregestr. 19 und schon gar nicht mit Rudi und Fidel anzunehmen ist, wobei die beiden Puschel rechts und links des Stormschen Schals bei jedem Satz akzentuierend zuckten, wenn er Mörike rezitierte, was er andauernd tat.

Am Ende verkaufte der Jetzt-Münch-ner Lyriker den alten Kasten in Berlin-Friedenau mit schöner Rendite, in welche das Vermögen unserer beiden Altlyriker mindestens zehnfach hineingepasst hätte, und schrieb aktuell ein Buch über das Geld, wohl wissend, dass in der guten alten Zeit um 1968 die Verstaatlichung der Banken links-programmatisch hoch im Kurs stand, und Fontane, je nach Lebensphase politisch schwankend wie ein Puschel am Schal des Kollegen Storm, mal zugestimmt hätte und mal eher nicht, während die Banken sich immer wieder mal selbst verknoten und diese Kolumne ohnehin.

WH