Ja klar, wir denken ja schon um!
Ständig: Also, der Wolf ist so ein absolut nützlicher Gefährte des Menschen (solange er uns bloß nicht persönlich begegnet), sorgt für das Gleichgewicht im Walde, nährt sich von Reh, Geißlein und Hasen, reißt ab und zu eine Wildsau oder ein Rotkäppchen – Moment mal, stopp! Das mit dem Rotkäppchen geht gar nicht, streich das gefälligst, ruft der Chefredakteur ins Smartphone, während er mit dem SUV auf seine Almhütte rast, oder ich streiche Dich! Sagt er, und er hat das Sagen!

Dabei haben es Chefredakteure ja auch nicht immer leicht, das muss man bedenken, wenn man in so ein Chef-Bashing auf den asphaltierten Almweg mit einbiegen will. Sie werden selbst gejagt, gehetzt und erlegt, wir erinnern nur an Kristian Krug, Stern oder Klaus Brinkbäumer, Spiegel – das war erst im letzten Dezember. Oder an Zeitschriften, die Anfang des Jahres einfach eingefroren wurden samt ihren Chefs, wie z. B. „Maxi“ (Bauer Verlag), die uns so am Herzen lag, oder der Weekly Standard mit Stephen Hayes, der seinem Verleger einfach zu Trump-feindlich wurde. Manchmal greift ja auch der Insolvenzverwalter zur Tranchier-Schere wie im Falle eines Münchner Boulevardblatts vor knapp fünf Jahren, ja der Chef ist des Menschen Chef! 

Wie ganz anders erging es da dem einstigen Chefredakteur des linksliberalen Guardian in England, Alan Rusbridger, der viele Jahre geradezu in einem Naturschutz-Biotop für Journalisten regiert hatte, sein Journal ohne Rücksicht auf Kosten mit vielen hundert Mitarbeitern zu einem Welt-Blatt ausbaute und bei seinem Abschied – wer hat ihn eigentlich kontrolliert? – gut 50 Millionen Pfund Minus hinterließ. Der Brite ist allerdings, das macht die Causa so musisch- verständlich, gleichzeitig einer speziellen Spielsucht erlegen, der Klavier-Spiel-Sucht, auch Pianomania genannt. So jagte er, während Politik und Zeitungswelt von Whistleblowern und Bankkrisen erschüttert wurden, einer bestimmten Ballade Chopins hinterher, die er unbedingt perfekt spielen wollte, sportlicher Ehrgeiz! Und er verfasste darüber gleichzeitig ein dickes Buch mit dem frechen Casablanca-Titel „Play it again“, in dem er neben dem journalistentypischen Namedropping haarklein erklärt, wie er die gefürchtete Coda der g-moll Ballade packt und doch im ersten Anlauf grandios scheitert.

Was hätte nur der Komponist dazu gesagt? Vielleicht Hans Pfitzner vorausahnend: „Jeder Meister fällt vom Himmel!“ – eine Bosheit gegen jeden Laienmusikus, und für echte „Chefs“ und Rudelführer d i e Überzeugung: Wir sind doch direkt vom Himmel gefallen! Sie haben allerdings jetzt damit zu tun, ihre Almhütten wolfsfrei zu halten, zwei Jung-Rüden wurden in Oberbayern schon gesichtet, die Bauern blasen zur Jagd, der Leitwolf im Maximilianeum? Taktiert noch, wittert Wählerstimmen.

W.H.