Lion Feuchtwangers schriftliche Hinterlassenschaften

Von Antonie Magen

Wenn einer ins Exil geht, nimmt er nicht viel mit. Er hat die Kleider bei sich, die er auf dem Leib trägt, und vielleicht noch einen oder zwei Koffer mit persönlichen Habseligkeiten. Was er zurücklassen muss, sind Bücher, Arbeitsunterlagen, Manuskripte, Briefe, kurz all das, was bei einem Schriftsteller Instrument und Produkt seiner Arbeit ist.

So ähnlich ging es Lion Feuchtwanger, der im November 1932 zu einer Vortragsreise nach England und in die USA aufbrach. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten im Januar 1933 kam er nicht mehr nach Deutschland zurück. Die Rückkehr auf den europäischen Kontinent war eine Rückkehr nach Frankreich, wo er mit genau dem Gepäck ankam, das er für die Reise gepackt hatte. Seine umfängliche Bibliothek blieb in Berlin, ebenso Manuskripte und Arbeitsunterlagen. Das Haus im Grunewald, das Feuchtwanger seit Mitte der 20er-Jahre bewohnte, wurde von der SA geplündert, Papiere vernichtet. Aber auch Frankreich bot nur vorübergehend Schutz. Nach der Internierung im Lager Les Milles war er in ein zweites Exil gezwungen: 1940 emigrierte er in die USA, wo er bis zu seinem Tod 1958 in Los Angeles lebte.

Dass sich Spuren dieses durch zweifaches Exil geprägten Lebens dennoch bis heute finden, verdankt die Nachwelt Feuchtwangers schriftlichen Hinterlassenschaften aus diesen letzten Jahren. Sie befinden sich nicht nur in einer Gedächtnisinstitution, sondern verteilen sich auf mehrere Bibliotheken und Archive. Die wichtigste Einrichtung in diesem Zusammenhang ist die University of Southern California in Los Angeles, der Feuchtwanger sowohl seine amerikanische Bibliothek vermachte, als auch den schriftlichen Nachlass, wie er sich zum Zeitpunkt seines Todes in seinem letzten Wohnhaus, der Villa Aurora, befand. Der Dichter fungiert hier als „Bestandsbildner“, wie es im Fachjargon heißt. In der „Feuchtwanger Memorial Library“ der USC ist die Korrespondenz des amerikanischen Exils enthalten – immerhin rund 10.000 Briefe –, ferner Werkmanuskripte, Drucke, Tonbänder, Fotos sowie Handschriften von Schriftstellerkollegen. Darüber hinaus gibt es in den USA weitere Institute, die Teile seines schriftstellerischen Erbes verwalten: Die Boston University, das Leo Baeck Institute in New York, das 20 Briefe, Werkmanuskripte, ein Foto sowie ein Programm des Dramas „Kalkutta“ von 1929 beherbergt, und die Library of Congress in Washington, die den Nachlass von Ben Huebsch, Feuchtwangers amerikanischem Verleger, erbte, inklusive aller Briefe, die der Autor von 1926 bis 1958 an seinen Lektor schrieb.

In Berlin, dem letztem deutschen Wohnort des Dichters, hütet das Literaturarchiv der Akademie der Schönen Künste eine größere Anzahl von Nachlassdokumenten. Allerdings handelt es sich hierbei überwiegend um Kopien von Briefen und Werkmanuskripten, die nach 1945 angefertigt wurden.

In seiner Vaterstadt München können sich zwei Institutionen rühmen, Autographen von ihm zu besitzen. Das ist zum einen die Bayerische Staatsbibliothek, die über drei Briefe verfügt; zum anderen die Monacensia, in der 47 handschriftliche Dokumente aufgehoben werden. Die meisten davon sind Briefe (39). Nur zwölf stammen aus der Münchner Zeit. Der letzte ist eine Mitteilung an Hans Ludwig Held von 1924. Held, damals Direktor des neugegründeten Literaturarchivs, hatte verschiedene Münchner Schriftsteller darum gebeten, der Bibliothek eigenhändige Manuskripte zu überlassen. Feuchtwanger, der sich im Aufbruch zu einer Reise befand, kündigte die Übersendung der geforderten Gabe nach seiner Rückkehr an. Getan hat er das nie. Bereits im folgenden Jahr zog er nach Berlin, und von dort musste er ins Exil.

In unserer Serie „Dichternachlässe – ein kulturelles Erbe“ stellten wir bisher – neben einem Feature über das Sammeln und Verwahren von literarischen Nachlässen – den Vorlass von Herbert Achternbusch vor.