Ein Krake wäre, um mit der Tür ins Haus zu fallen, nicht die schlechteste Lösung, mit acht Tentakeln, Saugnäpfen, Reichweite, die Probleme des neuen Literarischen Quartetts zu lösen, das seit Oktober letzten Jahres im ZDF als Nachfolger des Marcel R.-R.-Quartetts präsentiert wird. Aber gemach: Die Suche nach einem Nachfolger ist ein harter Job; nur ganz selten gelingt es dem Alphatier selbst, sich rechtzeitig um einen geeigneten Kandidaten zu kümmern, ihn nach und nach „aufzubauen“. Wir denken an Bismarck, Adenauer, Christian Ude. Er muss erheblich jünger sein, talentiert, aber nicht von auffallender Intelligenz, darf nichts wissen von Leichen im Keller seines Vorgängers und muss doch vom Milieu als kompetent akzeptiert werden. Von dem sehr speziellen Milieu, in das er geworfen wird, von den Medien und den Konsumenten, die ihn nach und nach verbrauchen sollen und werden. Auch in der hier verhandelten Causa hatte der einstige Literaturpapst Marcel Reich-Ranicki keinen Gedanken an einen Nachfolger verschwendet – die Musik der eigenen Unersetzlichkeit übertönte alles.

Als das Reich-Ranicki-Quartett nach dreizehn teilweise turbulenten Jahren ausgespielt hatte, damals war noch Papst Johannes Paul II. in Rom am Ruder, A. D. 2001, war beim ZDF in Wiesbaden kein Nachfolger in Sicht, während der Pole ja längst den Mann aus Marktl an den Tiber geholt hatte, um ihn aufzubauen. Wir erinnern uns so mancher Sendung, etwa als Jurek Becker das „Foucaultsche Pendel“ von Eco gar nicht erst gelesen hatte und dennoch darüber sprach. Oder als, oder wissen Sie noch?

Als wiederum gut 13 Jahre vergangen waren, gebaren die Wiesbadener das Team Weidermann, Westermann, Biller plus X als neues Quartett, wobei nach vier Sendungen schon der Autor Maxim Biller mit Schärfe und Schlagfertigkeit in das Chef-Kostüm des guten alten R-R schlüpft, das etwas schief sitzt. Exakt hier kommt die Krake „Casper“ ins Spiel. Ein Tintenfisch, gerade erst in der Tiefsee bei Hawaii in 4.000 Meter Tiefe entdeckt, furchtlos, und vor allem: ein unverbrauchtes Gesicht. Er gehört dazu! Würde Biller zu lange reden, genügte schon ein kurzes Tentakelzucken – die stille Würde der Ozeane – und der energetisch überschüssige Publizist dürfte respektvoll schweigen, unweigerlich. Volker Weidermann, Chef der Runde, der – anders als Krake Casper – durchaus sorgfältig getrimmtes Haar und kleine Flossen am Hinterkopf zu haben scheint, würde die Saugnäpfe der Krake streicheln, ihr dankbar einen kleinen Fisch zuwerfen und dem jeweiligen literarischen Gast das Wort erteilen, der dann ungestört für ein paar Minuten reden dürfte. Wenn das Ganze noch 13 Jahre währen soll (und wer glaubt nicht an die Magie der Zahlen), wird nichts anderes helfen.
W.H.