So eine Entschuldigung aus dem Munde der machtbewussten Kanzlerin wirft den von der Seuche geplagten, schwer genervten Literaturfreak nicht gleich aus der Bahn! Er wartet auf ersten oder zweiten Impftermin und greift, so lesen wir, verstärkt zum Haustier. Allein 17,5 Millionen Katzen umschnurren derzeit die Deutschen: weit mehr, als vor der Pandemie. Dazu kommen 10,7 Mio Hunde und ein Heer von Kaninchen und Meerschweinen – zoologische Fachverbände verbürgen sich für diese Zahlen. Lesen und streicheln – keine schlechte Überlebensstrategie. Es braucht aber auch aktuellen, mythischen Stoff!

Eine der frühen Kurzgeschichten von Doris Dörrie heißt „Es tut mir leid“. Sie spielt anno 1989, zu einer Zeit also, als Dr. Angela M. noch jenseits des Stacheldrahts politisch aktiv war. Ein junger amerikanischer Lover sagt in der Story sein „sorry“ zu seiner deutschen Geliebten und fügt sofort hinzu „jetzt hör schon auf zu heulen“. Danach fahren sie an die Grenze zur CSSR, vorbei an Hof, einem heute berüchtigten Corona-Hotspot, und schauen auf Wachtürme und Stacheldraht. Und die Liebe geht zur Neige – ihre Küsse „schmecken nur noch müde“, wie das eben nach gewissen, eiskalten Entschuldigungen so ist. Als A. Merkel Ende März die große Rolle rückwärts wegen zwei läppischer Osterruhetage probte, da hatte sie diesen zweite Satzteil mit dem „Heulen“ glatt verschluckt! Er muss aber sicher im Manuskript gestanden haben, wie Helga oder Helge Braun aus dem Kanzleramt uns weinerlich versicherte. Auch das mit dem Kühlschrank der Kanzlerin stand am Tag danach in der Zeitung. Nach einem so ergreifenden „mea culpa“ mussten die Journalisten direkt ins Nähkästchen der Akteurin greifen. Es passte ins Bild, dass A. M. als einziges Haushalts-Utensil nach der Scheidung von ihrem ersten Mann Ulrich Merkel anno 1982 nur den Kühlschrank gerettet haben wollte, sonst nichts. Tatsache: um ihr Herz darin des nachts zu kühlen, das tagsüber, klar, nur für Deutschland brannte. Schon damals, ganz sicher.

Entschuldigungs-Ruinen gibt es ja immer wieder in der Historie. Sei es ein Kuss, ein Kühlschrank oder eine Burg.

Der jugendliche Salier-König Heinrich IV., von seiner Mutter Agnes verhätschelt, soll ja ein cholerischer, machtbesessener Bursche gewesen sein. Und anders als es heute mancher Kandidat gern hätte, hielt man ihn noch „von Gottes Gnaden“! Als er anno 1076 zu viel Macht an sich reißen wollte, musste er im Januar 1077 durch Eis und Schnee  über die Berge zur norditalienischen Burg Canossa pilgern, um bei Papst Gregor VII. um Verzeihung und Lösung des „Banns“ zu bitten. Alles nur abgekartet? Klar ist, dass die Zentralgewalt heute wie damals anschließend gestärkt wurde. Und so stehen wir jetzt alle mit Nasen-Teststäbchen vor den Buchläden herum – puhlend endlich geeint, die ganze Republik ab Inzidenz 100.

W.H.