Anlässlich des Erinnerungsjahres „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ rückt die Monacensia in einem digitalen Dossier „jüdische Schriftstellerinnen in München“ ins Bild

Von Katrin Diehl

Die Sache ist nicht ganz so einfach zu fassen. Aber vielleicht beginnt ja da schon das Umdenken. Warum muss immer alles perfekt portioniert, eingegrenzt und überschaubar sein, damit sich gut damit umgehen lässt? Warum nicht von Anfang an viel mehr Offenheit zulassen, wo Entgrenzungen, unscharfe oder ausfransende Ränder, Übergänge zum Nächsten unserer Lebenswirklichkeit viel näher kommen? Alles hängt irgendwie mit allem zusammen, das Wissen ist weit verteilt und Fokussierung trotz alledem möglich.

Wenn man mit Anke Buettner, Leiterin der Monacensia, über das Projekt „Monacensia-Dossier: Jüdische Schriftstellerinnen in München“ spricht, dann lässt sich ausholen. Es geht weit in die Vergangenheit zurück, denn immerhin liegt das Schwergewicht des Hauses ganz klar auf den Beständen des Literaturarchivs und die können alt sein. Aber es geht eben auch in die Gegenwart, die nach Zukunftsbeständigkeit verlangt für all das, was gerade passiert und was man so ankurbelt. Und natürlich spielen auch die virtuellen Möglichkeiten, die wunderbar zur Verfügung stehen, eine Rolle und auch das Thema Corona, das diese Möglichkeiten noch einmal in einem ganz anderen Licht zeigen. Wo beginnen, wo aufhören? Beginnen lässt sich vielleicht bei den Schätzen, die die Monacensia birgt. „Wir machen nichts, was nicht mit der Idee zu tun hat, das literarische Gedächtnis dieser Stadt zu sein, verbunden allerdings auch immer mit der Frage, was macht unsere Stadt im Moment damit, und dafür ist auf diese oder jene Art aktueller Dialog nötig“, sagt Anke Buettner.

Und wo aufhören? Eigentlich gar nicht.

Im Jahr 2021 wird landesweit und mit ganz unterschiedlichen Darbietungen an „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ erinnert – für die Monacensia Anlass „das Leben und Wirken jüdischer Schriftstellerinnen in München sichtbar zu machen“. Dass es dabei ausschließlich um Schriftstellerinnen geht, „hat ganz einfach damit zu tun“, erklärt Anke Buettner, „dass dieses Projekt sehr eng an unsere Aktion #femaleheritage geknüpft ist“. Das auf fünf Jahre angelegte Forschungs- und Vermittlungsprojekt  #femaleheritage, das seit November 2020 läuft, kann als ein offenes, digitales Forum begriffen werden, das durch Beiträge, die herein kommen, Literatinnen, Künstlerinnen, sozial wie politisch engagierte Frauen dorthin bringt, wo sie hingehören, nämlich nach vorne.

Begonnen hatte das Projekt mit der Blogparade „Frauen und Erinnerungskultur“. Jüdische Frauen, die man dort findet, wurden nun zusätzlich ins „Monacensia Dossier“ gehoben, dort noch einmal durch primäre wie sekundäre Texte, Filme, Bilder – jetzt unter dem Aspekt der jüdischen Identität – sichtbar gemacht. Dabei wurde weder in den jeweiligen Beiträgen noch in einem vorangestellten Text eine Begriffsbestimmung des „Jüdisch-Seins“ (und das ist ein wirklich weites Feld!) thematisiert oder festgelegt – Stärke wie Schwäche in einem.

Bisher sind wunderbare Filmporträts (Regie: Christiane Huber, Kamera: Sven Zellner) zu Dana von Suffrin und Dagmar Nick abrufbar, in denen es – einem Literaturarchiv sehr gemäß – auch viel um Themen wie Schreibprozesse, Themenfindung … geht. Ein Film zu Amelie Fried ist gerade im Entstehen. Über Grete Weil, zu der die Monacensia fürs Jahr 2023 eine Ausstellung plant, gibt es per Klick Material, von Dana von Suffrin einen im besten Sinne kurzweiligen literarischen Blogtext mit dem Titel „Jüdische Kinder hatten wir noch nie“. Die Historikerin Lilly Maier wird sich in einem Beitrag damit beschäftigen, warum gerade Nachlässe von Frauen sehr oft weit verstreut aufbewahrt sind, der von jüdischen Frauen noch einmal „ein Stück verstreuter“, von Rachel Salamander ist ein Text über Gerty Spies geplant … Und eigentlich könnte es immer so weiter gehen.

Monacensia-Dossier:
Jüdische Schriftstellerinnen in München
Ein Projekt im Rahmen von #femaleheritage

www.muenchner-stadtbibliothek.de/femaleheritage