Die Autorenbuchhandlung wurde vor 40 Jahren von Schriftstellern gegründet – Habermas, Enzensberger und andere 68er-Größen waren in der Wilhelmstraße zu Gast

Die Modell-Buchhandlung im Herzen Altschwabings feiert ihren 40. Jahrestag gleichzeitig mit dem Rückzug ihrer Chef-Managerin Hilde Schiwek nach 25 Jahren – ein „neues Kapitel“, wie Fans und Inhaber-Autoren hoffen, kein Grund zur Resignation.

Wenn Hilde Schiwek, die „den Laden“ seit 25 Jahren mit Energie und Bravour geschmissen hat, vor der Fotowand mit all den berühmten Autoren, Literaten und Poeten steht und mit dem viel zu langsamen PC kämpft, kann man kaum glauben, dass es eine „ABC-Autorenbuchhandlung“ ohne sie geben kann – aber andererseits – nun ja, auch ein FC Bayern muss ohne Uli Hoeness, so ist das mit den „Seelen“ im Geschäftsleben, auch wenn sich Hilde Schiwek den Vergleich absolut und energisch verbitten würde. Die Alleingeschäftsführerin, die das Geschäft „aus Altersgründen“, wie es so böse heißt, verlässt, ist sicher, dass das Schlimmste im Buchverkauf überstanden ist. Die neue Welle von E-Book und Internet , Tablets und Smartphones, auf denen man Romane rauf- und runterladen kann, sieht sie gelassen auf ihren guten alten „Laden“ zurollen. Vor ein, zwei Jahren hatte sie sich noch Sorgen gemacht, aber seither gibt es einen Umschwung. „Die Menschen kommen jetzt wieder bewusster zu uns, wollen sich informieren, stöbern, schmökern. Und das können sie eben nur in einer gut sortierten Buchhandlung.“

Die Anfänge der „ABC-Autorenbuchhandlung“ liegen inzwischen ja legendenumwoben im Dunkel der Geschichte. Die Gründerväter und -mütter segelten auf der Selbstverwaltungswelle der 70er Jahre. Sie wollten wohl eine Buchhandlung auch für solche Autoren, die damals in den anderen Buchläden einfach nicht geführt wurden. Jeder bekam für einen Eintrittsscheck von 1000 DM als Mitglied die Garantie, dass seine Werke hier gelesen und gekauft werden konnten. Und er hatte ein Recht auf eine Lesung, was damals noch absolut unüblich war. Nicht der Massengeschmack der Bestsellerlisten sollte das Sortiment bestimmen, sondern die literarische Qualität – gefördert und gefordert von den 12 Gesellschafter-Autoren und Literaten, die das Anfangskapital von 20 000 DM im Herbst 1973 „hineingesteckt“ hatten und die ehemalige Kneipe umbauten zur Buchhandlung. Alles sollte sogar, Kapitalismus hin, Alternative her, verzinst werden, aber das hatte sich bald erledigt.

Die erste Geschäftsführerin Inge Poppe, heute mit Ehemann Paul Wühr am Trasimener See, organisierte unermüdlich Lesungen und Diskussionen. Der Geist der 70er Jahre, gesellschaftskritisch und wortkühn, versammelte sich in den etwa 50 Quadratmetern auf drei Dutzend Klappstühlen. Martin Gregor-Dellin, Jürgen Kolbe, Michael Krüger, Tankred Dorst und einige andere steckten ihre Spargroschen in das Unternehmen Wilhelmstraße 41, einen Katzensprung vom ehrwürdigen Max-Gymnasium entfernt. Nach den Lesungen ging es gegenüber in der Pschorr-Gaststätte noch weiter, die Diskussionen mit Enzensberger, Habermas und anderen 68er-Größen überzogen bei Zigarrenqualm und Alkohol die Sperrstunde bei weitem.

Auch für Hilde Schiwek waren später, ab 1989, die Lesungen ein Höhepunkt. „Toni Morrison zum Beispiel, eine Woche bevor sie den Nobelpreis bekam, oder der junge Paul Auster. Herta Müller las hier kurz nach dem Sturz von Ceaucescu, als sie noch kaum jemand kannte.“ Doch seitdem sich das Literaturhaus am Salvatorplatz, ausgestattet mit einem Jahresetat von 400.000 Euro, vor mehr als zehn Jahren etablierte, hat es die „wirklich interessanten“ Autoren weggezogen. Dabei musste die Geschäftsführerin ja nicht nur die aktuellen Neuerscheinungen aus Deutschland und – mindestens – den USA, England und Frankreich in deutscher Übersetzung kennen, sondern auch noch den Umgang mit den empfindsamen Damen und Herren Gesellschaftern pflegen. So war etwa vor zwei Jahren die Aufstockung des Kapitals auf 62.000 Euro erforderlich. „Das sind nun nicht unbedingt meine schönsten Erinnerungen“, meint Hilde Schiwek mit einem feinen Lächeln, das den Stolz des Erreichten zeigt, aber auch die Erleichterung, „endlich ein Buch mit Genuss“ und nicht immer mit der „Schere im Kopf“ lesen zu müssen, die da heißt „Kundenwunsch“. Und: qualifizierte Kundenberatung. Das ging durchaus so weit, dass Schiwek
einen Kunden bei einer Buchbestellung entsetzt ansehen und „das ist aber nichts für Sie“ murmeln konnte. Von den Mitgliedern und Gesellschaftern mischt sich schon längst keiner mehr in die Tagesgeschäfte ein.

Braucht die Autorenbuchhandlung, um zu überleben, in Zukunft neue Impulse, Schwerpunkte, Kaffeeservice, Spezialwochen? Nein, alles Schnickschnack! Für Schiwek ist das Entscheidende: Kompetenz, Freundlichkeit und ein Mensch, der diese Buchhandlung zu seinem Projekt macht. Die Nachfolgerin, Bärbel Kempf-Luley wird das schaffen, und zur Not, Augenzwinkern, hat sie ja auch noch die Autoren im Boot.
Wolfram Hirche