Der Erzählerstimme nachspüren

Wanda Jakob übersetzt aus dem Portugiesischen und aus dem Englischen

Sie brennt für Literatur. Das ist Wanda Jakob als Tochter einer Verlagsgründerin erfolgreich in die Wiege gelegt worden. Übersetzungen sind für sie erst seit wenigen Jahren das Mittel der Wahl, Leserinnen und Lesern junge Literatur aus fremden Kulturen nahe zu bringen. Ihr Schwerpunkt sind bislang witzige und abgefahrene, oft auch melancholische Geschichten von Frauen über den Alltag in Brasilien und anderswo. Kinderbücher? Lyrik? Die Münchnerin schließt für die Zukunft nichts aus.

Wenn Wanda Jakob über Literatur spricht, strahlt sie. Ihr ganzes Leben dreht sich um Literatur, so lange sie denken kann, wollte sie lesen und schreiben. Für das Studium, Amerikanische, Portugiesische und Deutsche Literatur, nahm sie sich sehr viel Zeit. Dann verpflichtete sie sich bei der VG Wort als Sekretärin der Geschäftsleitung und eignete sich die kaufmännischen Aspekte der Branche an. Zwei Jahre später legte sie den Hebel um. Was sie macht, macht sie gründlich. Sie erstellte einen Business-Plan, beantragte einen Existenzgründerzuschuss und immer wieder auch Stipendien, nutzte die Buchmesse, als Brasilien Gastland war, für die Kontaktpflege, tingelte für ihre Anthologie-Ideen und begab sich für einige Wochen nach Brasilien. 2011 begann sie mit den Übersetzungen. Ganz nebenbei arbeitet sie weiter für Verlage, prüft fremdsprachige Bücher, verfasst Gutachten und gestaltet Verlagsprogramme, betreut Autoren und lektoriert deren Werke, organisiert Messestände und Workshops und veranstaltet immer wieder auch VHS-Kurse über Fado oder Lesungen für Lusofonia e.V., ein Verein, der sich der Förderung und Verbreitung der Kulturen aus portugiesischsprachigen Ländern verschrieben hat. „Ich mische mich gern ein, ich stehe gern auf der Bühne“, sagt Wanda Jakob.Wenn sie übersetzt, sitzt sie in einem Büro an der Großmarkthalle, in einer Gemeinschaft mit Fotografen, Filmproduzenten und Beziehungscouches. Da kann sie dann, wenn es hart auf hart kommt, wie im letzten Jahr, auch schon einmal von neun Uhr morgens bis 23 Uhr in der Nacht am Schreibtisch ausharren und sich einfühlen in ein Stück Literatur, der Erzählerstimme nachspüren, nach Worten suchen für Geschichten, die manchmal klein und unscheinbar daherkommen, dann aber in Abgründe führen, wo Lachen und Weinen nah beieinander liegen. Die „Microcontos/Minigeschichten aus Brasilien“ sollten zur Pflichtlektüre gehören für alle, die sich für das Land (und das Leben) interessieren. Und auch „Krieg der Bastarde“ von Ana Paula Maia, der erste Roman, den Wanda Jakob übersetzt hat, zeigt Brasilien von einer Seite, die man in Reiseführern vergeblich suchen dürfte.

Übersetzungen also sind der noch junge Schwerpunkt für die Münchnerin. Es war ein langer Weg dahin, doch sie möchte keinen einzigen Schritt missen. Momentan würde sie am liebsten ununterbrochen übersetzen. Sie liebt das Schöpferische an der Arbeit, das Anspruchsvolle, das immer Neue. Zur Zeit arbeitet sie an der Übersetzung aus dem Englischen von „The Fall of Saints/Die Scheinheiligen“ von Wanjiku wa Ngugi, die demnächst im A1 Verlag herauskommen soll.

Für Wanda Jakob ist der Beruf Berufung, sie betreibt das Übersetzen mit Herz, aber auch mit Verstand. Als realitätsfremde Idealistin sieht sie sich nicht. Sie pflegt die Kontakte zu den Verlagen, zu denen A1, Hanser, Kunstmann, edition fünf, dtv und der Unionsverlag gehören. Sie nimmt gerne Stipendien und die Förderung durch staatliche Kulturinstitutionen an. Sie ist Mitglied im Münchner Übersetzer-Forum e.V., beteiligt sich an den Stammtischen und weiß den Erfahrungsaustausch, die Solidarität und das gemeinsame Engagement für anständige Arbeitsbedingungen zu schätzen. Denn unstrittig ist, dass Übersetzungen miserabel bezahlt werden. Sie hat erfahren, dass Gutachten über fremdsprachige Literatur noch weitaus schlechter honoriert werden. Doch das ist für sie ein untergeordneter Aspekt, als entscheidend für ihr Leben und ihre Berufswahl empfindet sie die schlechte Bezahlung nicht. Zum Glück. Und eigentlich müsste es ja auch die Angelegenheit aller Literatur-Liebhaber und Literatur-Händler dieser Welt sein, wie viel ihnen die Begutachtung fremdsprachiger Literatur und ihre Übersetzung wert ist.
Ursula Sautmann