Alles im Fluss

Am 20. Mai geht es mit „Hörgang“ und Autoren durch Bogenhausen

Von Stefanie Bürgers

Man stelle sich vor: Unten rauscht die Isar, oben lauscht eine Gruppe von Menschen einer Lesung. Wie schön, so ein zufälliges Zusammentreffen von Muße und Darbietung an so einem exponierten Ort. Das Oberföhringer Stauwehr ist bekannt als Tatortkulisse, Fundort von allerlei Schwemmgut. Den Münchnern dient es oben als verbindende Brücke zwischen rechtem Isar-ufer und Englischem Garten. Spannend, was hier vor sich geht. Ein „flashmob“? Weit gefehlt. Das Wehr ist einer der ausgewählten Schau- oder besser „Hörplätze“ für das Erlebnis „Hörgang“.

„Hörgang“ ist keines der beliebten Werbe-Wortspiele, sondern ganz wörtlich zu verstehen. An einem Abend werden an ausgewählten Plätzen in einem Quartier Münchens jede Stunde für circa 15 bis 20 Minuten von unterschiedlichen Autoren verschiedene Texte vorgetragen: Briefe, Gedichte, Kurzgeschichten, Lieder, Romanauszüge, Sachtexte, Slams, Kabarett sowie Tagebucheinträge. Interessierte sind eingeladen, den Gang von einem Ort zum anderen zu unternehmen und den Lesungen zu lauschen. Die Idee für „Hörgang“, so Otger Holleschek, rühre daher, dass er seit Jahren Veranstaltungen an besonderen Plätzen organisiere, und das mit Anspruch. „Hörgang“ kombiniert gezielt ausgewählte Orte mit ungewöhnlichen Elementen. In diesem Fall mit Worten, allen möglichen Formen von Literatur. Das liegt nahe, denn Otger Holleschek hat Literatur studiert. 2001 war Start mit dem Bahnhofsviertel und Schwabing. Es folgten Haidhausen und die Au, Schlachthofviertel, Hasenbergl und Westend.

30 Plätze in Bogenhausen warten am Samstag, 20. Mai auf einen Besuch in der diesjährigen achten Runde des Erlebnisses „Hörgang“. Die gewählten Orte sind eine bunte Mischung: bekannt und berühmt, in der freien Natur, in privaten Räumen, Produktionsstätten. Alles ist möglich. Der allzu einseitige Blick auf das Nobel-Wohnviertel schlechthin wird hier geweitet. Die lebendige Vielfalt und das durchaus G´stand`ne drücken sich gut aus in der Wahl der Plätze. Otger Hollescheck ist es gelungen, auch private Gastgeber für seine Idee zu gewinnen. Dies zeugt von Offenheit und zugleich Ortsverbundenheit der Hausherren und -damen.

Außergewöhnlich ist es, sich den Munich Fight Club als „Wort-Ort“ vorzustellen. „Lasst die Fäuste sprechen“, steht jedenfalls nicht auf dem Programm, wenn der Kampfsportclub „Hörgang“ – Gastgeber ist. Die neu eröffnete Monacensia als Hort der Münchner Literatur ist ebenso vertreten, wie die Wastl-Fanderl-Musikschule, die sich dem Erhalt echter Volksmusik verschrieben hat. Der ehemalige Rockclub „Kult“, jetzt bekannt als „Kafe Kult“ ist mit von der Partie genauso wie das Generalkonsulat oder die Gärtnerei. Eine Ballettschule gibt die Bühne frei, und die Bistrobar „Daherkomma“ – eine Anspielung auf den nahegelegenen Herkomer Platz – freut sich, wer alles so daherkommt an diesem Mai-Abend. Das Wetter lässt sich nicht buchen, daher wird die Liste der Orte bis zuletzt erweitert, Überraschungen in freier Natur eingeschlossen. Auch die Liste der Autoren wird bis zuletzt wachsen.

Die Fangemeinde von „Hörgang“ besteht mittlerweile aus rund 1600 „Ohren“, bzw. 800 Personen. Der Typ Pilger unter den Literaturfreunden wird verschiedene ausgesuchte Plätze der Lesungen aufsuchen. Der Typ Theaterabonnent wird es sich an dem von ihm bevorzugten Ort gemütlich machen und das Defilee der Autoren und Zuhörer entspannt genießen. Interessant, wie sich ein Ortswechsel auf den Vortrag auswirkt, da auch die Autoren nach einem ausgeklügelten Plan umherziehen. Alles bleibt im Fluss.

Die Autoren: große Namen, unvermutete Genres, Neuentdeckungen. Renommierte Schriftsteller treffen auf Nachwuchsautoren, auch Tonkünstler sind vertreten. Um nur Einige zu nennen: Albert Ostermaier, John von Düffel, Jürgen Helm, Amanda Lasker-Berlin, Marie Lehner, Denis Leifeld, Ensemble der Münchner Philharmoniker, Ensemble Wasserglas-Lesungen. München bietet noch weitere Quartiere, was steht wohl als nächstes an?

„Wenn ich nochmal die Energie habe“ – so Otger Holleschek – „dann ist Giesing an der Reihe“. Hoffentlich, denn alles soll ja im Fluss bleiben.

P.S. Information sowie Ticketreservierung für „Hörgang“ am 20.Mai unter www.hoergang.com oder unter www.zuendeln.de. Tickets kosten 17 Ä im Vorverkauf und 20 Ä an der Abendkasse. Aus organisatorischen Gründen muss der gewünschte Startpunkt bei der Buchung angegeben werden. Am reservierten Startplatz ist der Name notiert, man erhält eine Broschüre (mit den Plätzen, den Autoren, die dort lesen und einem Zeitplan), die als Eintrittskarte für alle Plätze (in der Folge dann freie Wahl) und das Fest gilt. Die Liste der Plätze und Autoren kann sich noch ändern.

In unsere Reihe „Münchens Literarische Orte“ stellten wir bislang vor:
Substanz, Autorengalerie, La Cantina, Vereinsheim, Streitfeld, Haidhauser Literaturbox1, Von-Parish-Kostümbibliothek, die Tolstoi-Bibliothek, Lesefüchse und Café Luitpold.