Die Villa Waldberta in Feldafing, das internationale Künstlerhaus der Stadt München, beherbergt Künstlerinnen und Künstler aus aller Welt. Jährlich werden 30 bis 40 Gäste eingeladen und können hier bis zu drei Monate kostenlos wohnen und arbeiten. Gerade ist Südamerika zu Gast – drei Schriftsteller aus Haiti und vier Schauspieler aus Brasilien.

Die Lage des Hauses ist überwältigend. Der Blick schweift über den Starnberger See ans gegenüber liegende Ufer und bis zu den Alpen. Hier präsentiert sich Bayern aufs Prächtigste, und manch einer, der aus einer ganz anderen Ecke der Welt kommt, braucht erstmal eine Eingewöhnungszeit. Karin Sommer, die Leiterin der Villa Waldberta, ist sich aber sicher, dass die meisten Gäste schnell ihren Rhythmus finden und den Aufenthalt erfolgreich nutzen können. Seit seiner Entstehung 1901/02 gingen in dem stattlichen Haus Kosmopoliten und Künstler ein und aus. Diesen Geist wollte die letzte Besitzerin Bertha Koempel, die jedes Jahr in den Sommermonaten von New York nach Feldafing kam, wohl erhalten. 1965 gründete sie eine Stiftung und vermachte die Villa Waldberta inklusive Park der Landeshauptstadt mit der Auflage, das Anwesen als Baudenkmal zu erhalten. Doch erst seit 1982 existiert das Haus in seiner heutigen Form, strömt durch seine Räume ein ständiger Fluss von Künstlerinnen und Künstlern, wird internationale Kulturarbeit gefördert.

Bei der Vergabe der Stipendien lässt sich das Waldberta-Kuratorium von Experten beraten, von Institutionen wie dem Goethe-Institut, der Pasinger Fabrik oder aus der freien Szene. Doch eigentlich könnte jeder Bürger Vorschläge machen, sagt Karin Sommer. Einen Münchenbezug sollten sie haben und dem städtischen Kulturaustausch zugute kommen. Überzeugt das Projekt und lässt es sich mit anderen schwerpunktmäßig bündeln, werden die dafür geeigneten Künstler eingeladen. Schwerpunkte in diesem Jahr sind „Junge Kunst International“ und „Das Fremde und das Eigene“. Derzeit erarbeiten vier brasilianische Schauspieler ein zweisprachiges Theaterstück über die 1908 in München geborene Olga Benario, die in Brasilien als Revolutionärin Geschichte schrieb und 1942 von den Nazis im KZ ermordet wurde. Das Stück hat am 20. Juni in der Pasinger Fabrik seine Welturaufführung und soll auch noch in Rio de Janeiro gezeigt werden.

Die drei aus Haiti stammenden Gäste der Villa Waldberta wurden für das große Kulturprogramm „Kreyòl. Die Kultur des Widerstands in der Karibik“ eingeladen, ein von dem Künstler und Kurator Siegfried Kaden initiiertes Projekt. Ein sehr randständiges und nicht gerade München bezogenes Thema, will man meinen, aber Hilario Batista Félix macht in seinem Vortrag klar, dass die kreolische Kultur, in der meist unterprivilegierte schwarze Menschen beheimatet sind, zu den Erblasten des Kolonialismus gehört und also auch uns etwas angeht. Félix ist in Kuba geboren und setzt sich als Präsident der Vereinigung „Bannzil Kreyòl Kiba“ für die kreolische Sprache, Kultur und Tradition ein. Als absoluter Experte auf diesem Gebiet hat er in Europa noch nie darüber sprechen können. Er ist zum ersten Mal auf dieser Seite des Atlantiks, und Feldafing war für ihn ein Schock, vor allem, als mit dem Mai die Kälte kam. Mit seinem heiteren offenen Wesen verkörpert er das Lebensgefühl der Karibik, und das möchte er uns nahe bringen.

Der Lyriker, Romanautor und Bildende Künstler Anthony Phelps fühlt sich allein schon durch seine Familie, die von überall her aus Europa, Russland und Afrika stammt, als Nomade zwischen den Kulturen. 1928 in Port-au-Prince geboren, wurde er 1954 von der Duvalier-Diktatur ins kanadische Exil vertrieben. Reisen, unterwegs sein, gehört zu seiner Biografie, und als ihn im April der bayerische Frühling mit Sonne, Wärme und überschwänglicher Blütenpracht empfing, fühlte er sich beinahe in seine Heimat Haiti zurückgekehrt. Er war auch schon an anderen Orten als Stipendiat eingeladen, aber bei weitem am elegantesten ist die Villa Wald-
berta. Doch es ist, wie er sagt, nur ein Innehalten auf Zeit, in der er auf Dis-tanz zur Alltäglichkeit geht und den Vogelstimmen lauscht, die den Park mit ihrem Gesang erfüllen. Zur Zeit arbeitet er an einer Gedichtsammlung und lässt sich auch von der schönen Landschaft und der Natur um ihn herum inspirieren. Ins Münchner Kulturleben ist er bisher nicht eingetaucht, aber er war in Neuschwanstein und Andechs. Dass in einem Kloster Bier gebraut und ausgeschenkt wird, hat ihn amüsiert. Am 18. Juni wird er zum Thema „Exil. Als Nomade unterwegs zwischen Poesie und Prosa“ sprechen und aus seinem Werk vorlesen (Institut Français, Kaulbachstr. 13).

Louis Philippe Dalembert nutzt seine Zeit als Stipendiat in der Villa Waldberta vor allem, um seinen neuen Roman zu beenden. Auch ihm ist das Wandern zwischen den Welten nicht fremd, es ist geradezu eine Obsession, die sich durch sein Werk zieht. Platz und Handlung mögen sich ändern, sagt er, aber meine Personen sind geprägt von einer ständigen Spannung zwischen zwei Zeiten, der Kindheit und dem Erwachsenenalter, die für mich genauso Länder sind wie die geografischen. Jedes Mal wechselt die Perspektive, mit ihr ändern sich die Dinge und die Art, wie wir sie betrachten. Dalembert ist in vielen Ländern zuhause, spricht sieben Sprachen und lebt heute unter anderem in Paris und Port-au-Prince. Am 11. Juni hält er einen Vortrag über „Ein Vagabundenleben für die Literatur“ (Institut Français, Kaulbachstr. 13).
Katrina Behrend Lesch

Auf den Webseiten www.villa-waldberta.de und www.kreol-deutschland.com findet man noch weitere nützliche Informationen.