Die Arbeitswelt ist nicht gerade das Lieblingskind der Literatur, schon gar nicht der deutschen, und so ist es schon bemerkenswert, dass die 30jährige Münchner Autorin Lilian Loke sich in ihrem Debutroman „Gold in den Straßen“ direkt auf dieses Thema stürzt. Sie greift sich den Immobilien-Maklerjob heraus, der ohnehin in der Öffentlichkeit nicht den besten Ruf genießt, hat hier offenbar gründlich recherchiert und breitet genüsslich seine Licht- und Schattenseiten vor uns aus. Die schnelle Gewinnchance, das ständige Lauern auf Erfolg, den Wettbewerb unter missgünstigen Kollegen, den Absturz. Die Dialoge zwischen Meyer, der Hauptfigur des Romans und seinen Rivalen sowie seinem Chef bilden den Kern und sind die Stärke dieses Debuts. Dass Meyer aus kleinen Verhältnissen kommt, mit seinem Vater Spannungen hat und neben der Arbeit , die ihn auffrisst, auch noch eine Freundin laufen hat, spielt nur am Rand eine Rolle. Zumal die Frau seiner Wahl über die Herzenswärme einer Tiefkühltruhe verfügt. Meyer findet allenfalls in Gesprächen mit einem blinden Kollegen Verständnis und Empathie, während sich die Beziehung zu seiner Liebsten vor allem zwischen edlem Mobiliar und erlesenen Klamotten abspielt – auch hier wurden die Marken von der Autorin gründlich recherchiert.

Die Botschaft ist eindeutig: Sowohl in der Arbeit als auch in menschlichen Beziehungen sind die Menschen sich selbst fremd, herrschen Gewinnmaximierung, Machtkalkül, Kälte. Weder Humor noch Ironie oder Eros spielen auf den 350 Seiten eine Rolle – es geht ernst zu , und dieser Ernst wird uns in knappen Wiederholungen eingehämmert: „Meyer lacht empört auf…“, „Meyer hält inne“, „Meyer spürt“, „Meyer fragt sich“ – die Monotonie des Stils mag ja der Monotonie des Daseins entsprechen, aber dennoch weiß der Leser dann eben doch nach wenigen Seiten Bescheid und fragt sich, warum er noch weiter lesen sollte. Die Figur des Meyer, um die sich alles dreht, bleibt leblos. Er möchte Karriere machen einerseits, aber doch am liebsten nur mit Immobilien, die ihn überzeugen. Er spürt immerhin, dass es da einen Widerspruch gibt. Die Autorin lässt ihn mehrmals „kotzen“. Seine Hände sind oft „schweißig“. Aber seine Gefühle werden nicht gezeigt –mit Ausnahme der Dinge, die er immer wieder „Scheiße“ findet. Und das macht es für den Leser schwer, sich zu identifizieren, mit Meyer mitzufühlen, Interesse an ihm zu haben. Mag ja sein, die Autorin weist diese Möglichkeit absichtlich zurück – aber warum sollte man dann ihr Buch lesen? Um Fakten über das Desaster der Arbeitswelt und der menschlichen Beziehungen zu erfahren, kann ich Zeitung lesen oder ein Fachbuch. Diesem Debut fehlt leider die Lebendigkeit, es liest sich etwas mühsam.
Wolfram Hirche

Lilian Loke
Gold in den Straßen
Roman, 351 Seiten
Hoffmann und Campe,Hamburg, 2015
22 Euro