Es ist der klassische Einstieg. Da ist ein junger Schriftsteller so richtig überzeugt, den Knüller des Jahres geschrieben zu haben. Hoffnungsfroh schickt er sein Werk an eine Reihe von Verlagen und Agenturen – und handelt sich eine Absage nach der anderen ein. Doch weil ihn wie jeden Autor der Traum vom gedruckten Buch umtreibt, denkt er nicht ans Aufgeben, sondern ans Selbstverlegen.

Auch Bernhard Straßer (35) aus Traunstein im Chiemgau träumt ihn. Mit Kurzgeschichten hat es der Berufsberater schon zu lokalem Ansehen gebracht. Mit der Coming of Age-Geschichte „Kleinstadtrebellen“ gedenkt er groß rauszukommen. „Jeder, der schreibt, will ein Buch veröffentlichen. Will einen Bestseller schreiben, will Preise bekommen, hören, er hat einen verdammt guten Roman geschrieben. Auch ich …“, kommentiert er selbstironisch in seinem Blog (www.chiemgauseiten.de/über mich). Doch er findet keinen Verlag, und so ist Selbstverlegen das Zauberwort, das ihm dazu verhelfen soll. Neu ist das nicht, schon immer haben Autoren, die von den Verlagen abgelehnt wurden, eine ganze Auflage vorfinanziert und selbst an den Leser gebracht, was wahrlich kein Pappenstiel ist. Heute heißt das Self Publishing, und Straßer muss keinen Pfennig in die Hand nehmen. Er wählt aus den verschiedenen Self Publishing-Plattformen eine aus, die ihm die besten Bedingungen bietet, und los geht’s. Eigentlich habe er sich gleich für CreateSpace entschieden, sagt er, der Plattform von Amazon. Einfache Handhabung, gutes Honorar. Fürs E-Book 60 Prozent vom Verkaufspreis, den er selbst festlegt. Dass andere Anbieter bis zu 70 Prozent zahlen, weiß er mittlerweile. Bei der Print-Ausgabe werden zusätzlich die Druckkosten abgezogen, da kommt er auf 20 Prozent. Die Abrechnung erfolgt monatlich.

Mit dieser Leichtigkeit der Veröffentlichung werben auch alle anderen Plattformen und locken mehr oder weniger mit dem gleichen Slogan: Schreiben, Hochladen, Publizieren. Bei der Covergestaltung allerdings habe er sich professionelle Hilfe geholt, sagt Straßer, das kleine Bild müsse den Leser, der durch die Amazon-Bestsellerlisten scrollt, ja sofort ansprechen. „Mir hat dabei ein befreundeter Grafiker geholfen. Überhaupt ist das meine Erfahrung, die ich mit den ,Kleinstadtrebellen‘ gemacht habe. Das war so ein Learning by Doing. Bei meinem nächsten Buch will ich vor allem eines, ein sauberes Lektorat. Das ist mir wichtig.“

Amazon war übrigens nicht der Vorreiter auf dem Gebiet des Self Publishings. Doch erst als sich 2007 der Online-Versandbuchhändler auch zum Online-Verleger aufschwang, schien diese neue Sparte so richtig in die Gänge zu kommen. Heute reden wir von sechs- bis siebenstelligen Auflagenzahlen und entsprechenden Tantiemen, und das alles für Bücher, die weder auf den gängigen Bestsellerlisten noch auf den Feuilletonseiten großer Zeitungen auftauchen. Viele dieser Bestseller-Autoren haben bei Amazon publiziert, ihre Werke sind digital und als Print-Ausgabe nur bei Amazon erhältlich, die E-Books nur auf dessen E-Book Reader Kindle lesbar. „Abhängig ist man schon“, gibt Bernhard Straßer zu. „Vor allem vom Bewertungssystem, das darüber entscheidet, ob ich in den Charts vorne und sichtbar bleibe oder nach hinten rutsche.“ Wobei sein Roman wahrscheinlich auch deswegen nicht zu den Topsellern gehört, weil er nicht die gängigen Genres bedient: Krimis, Thriller, Frauen-, Liebes- und Erotikromane, fast ausschließlich Unterhaltungslektüre, das belletristisch anspruchsvolle Buch sucht man nicht bei den E-Books.

Trotz aller Möglichkeiten, die ihm die neuen Medien erschließen, ist der Traum eines jeden Schriftstellers das gedruckte Buch. Den Verlag hat der SelfPublisher erfolgreich umgangen, auch wenn er sich heimlich nach einem sehnt. Sein Buch liegt als Datei abgespeichert in der Cloud, zusammen mit zigtausend anderen, und wartet darauf, vom Leser als E-Book heruntergeladen oder als Print-Ausgabe, als Book on Demand, bestellt und erst dann gedruckt zu werden. Nun muss es zum Kunden gelangen. Das geht nur über den Handel, um den die digitale Buchwelt nicht herumkommt. Und doch nimmt das Gros der Buchhändler diese riesige und noch dazu lukrative Einnahmequelle kaum wahr. Ein verlagsloses Buch scheint für sie wie ein Kleid ohne Label für den Modefreak, man fasst es sozusagen mit spitzen Fingern an. Dabei verdienen sie dank der Buchpreisbindung an ihm genauso viel wie an denjenigen, auf denen ein Verlagsname prangt.

Auch die Werbung hängt damit zusammen. Das Buch eines SelfPublishers erscheint ja in keinem Verlagsverzeichnis, wird von keiner Presseabteilung an die Feuilletons verschickt, fällt durch keine Anzeige ins Auge, es sei denn, der Autor zahlt sie selbst. „Für mich ist das die Ochsentour“, sagt Bernhard Straßer. „Klinkenputzen bei Redaktionen und Buchhändlern, Lesungen, Hinweise auf Facebook, regelmäßige Eintragungen in meinem Blog, Austausch in entsprechenden Internetforen undundund. Aber das bringt was. Ich war erstaunt, wie viel Resonanz ein Bericht in der Zeitung hat.“ Leben kann der Familienvater von seinen Tantiemen noch nicht. Doch wer weiß, vielleicht wird ja sein nächster Roman, der bereits fertig geschrieben ist, demnächst der Knüller des Jahres.
Katrina Behrend Lesch