Eine neue Biografie würdigt Oskar Maria Graf

von Antonie Magen

Als Oskar Maria Graf am 28. Juni 1967 in New York im Alter von 72 Jahren starb, hatte er fast die Hälfte seines Lebens im Exil zugebracht. Dessen Beginn markierte er in seiner zweiten Autobiografie „Gelächter von außen“ (erschienen 1966) rückblickend mit dem 6. März 1933, dem Tag, an dem seine Lebensgefährtin Mirjam Sachs nach der letzten freien Reichstagswahl der Weimarer Republik in Wien eingetroffen war. Graf selbst befand sich schon seit Februar auf einer Lesereise in Österreich. Nach Deutschland kehrte er erst 1958 zurück, kurz nachdem er die amerikanische Staatsbürgerschaft erhalten hatte. Allerdings beschränkten sich seine Aufenthalte in Europa der fünfziger und sechziger Jahre auf drei Reisen. – Unzufrieden mit dem Nachkriegszustand Westdeutschlands und der mangelnden Würdigung seines Werkes, das zumindest in der BRD erst ab 1960 wieder Aufmerksamkeit erregte, kehrte er nicht dauerhaft in sein Geburtsland zurück und blieb bis zu seinem Tod Emigrant.

Die neue, kompakte und mit 136 Seiten relativ kurze Biografie „Oskar Maria Graf. Rebellischer Weltbürger, kein bayerischer Nationaldichter“ der Münchner Literaturwissenschaftler Ulrich Dittmann und Waldemar Fromm, die pünktlich zu Grafs 50. Todestag bei Pustet erschienen ist, trägt diesem biografischen Einschnitt, der nicht zuletzt auch eine Zäsur in Grafs literarischer Wirkung war, unverkennbar Rechnung. Die zehn Kapitel, in denen die beiden Autoren das Leben des Schriftstellers vor historischem Hintergrund und mit Hilfe verschiedenster literarischer Texte seiner Zeitgenossen nacherzählen, teilen sich in zwei etwa gleich umfängliche Abschnitte.

Der erste (Kapitel 1-5) stammt aus der Feder von Waldemar Fromm und beschäftigt sich mit Grafs Leben bis zu Beginn der 1930er Jahre: Den Auftakt bildet die Darstellung von Grafs Familie, seiner Kindheit und Jugend am Starnberger See. Dann werden sein Bohemiendasein in München sowie seine Aufenthalte in Ascona und Berlin beleuchtet. Weiterhin erzählt werden Grafs prägende Erlebnisse im Ersten Weltkrieg, die ihn zu einem radikalen Pazifisten werden ließen, sowie seine Erfahrungen in den darauffolgenden Revolutionsjahren 1918/1919, in denen er sich in linksgerichteten politischen Gruppen engagierte. – Da die beiden Autoren bereits in der Einleitung einen engen Zusammenhang zwischen Grafs Leben und seinem stark autobiografisch geprägten Werk formulieren, den sie für ihre Lebensdarstellung als programmatisch annehmen, kann es nicht verwundern, dass diese Kapitel dicht an Grafs erste Autobiografie „Wir sind Gefangene“ angelehnt sind, die von der Zeit zwischen 1905 und der Münchner Räterepublik berichtet.

Dementsprechend lösen sich die letzten beiden Kapitel des ersten Teils aus dem Rahmen der rein biografischen Abfolge und legen einen Schwerpunkt auf Grafs künstlerisches (Selbst)Verständnis, auf die zeitgenössischen literarischen Einflüsse und bietet eine literaturkritische und literarhistorische Einordnung seines Werks in den zwanziger Jahren.

Für die zweite Hälfte der Biografie (Kapitel 6-10) ist Ulrich Dittmann verantwortlich. Er zeichnet Grafs Leben im Exil nach, das ihn 1934 von Österreich in die Tschechoslowakei führte, die eine liberale Flüchtlingspolitik betrieb. Hier erlebte Graf seine produktivsten und glücklichsten Jahre. 1938 allerdings kehrte er Europa den Rücken und lebte fortan in New York. Stärker als im ersten Teil wird in dieser Hälfte ein weiterer Schwerpunkt auf die Rezeptions-, die Publikations- und Entstehungsgeschichte von Grafs Werken gelegt.

Ergänzt wird die durchgehende biografische Darstellung durch Fotos sowie durch Kästen, die optisch den Fließtext unterbrechen und besonders wichtige historische Phänomene in lexikalischem Stil erläutern. In nicht wenigen Fällen werden diese Texte dafür genutzt, Grafs Stimme durch den Abdruck seiner Texte deutlicher hörbar zu machen. Abgeschlossen wird die Biografie durch eine übersichtliche Zeittafel und ein umfängliches Literatur- und Dokumentenverzeichnis.

Ullrich Dittmann und Waldemar Fromm
Oskar Maria Graf
Rebellischer Weltbürger, kein bayerischer Nationaldichter
140 Seiten
Verlag Friedrich Pustet Regensburg 2017
12,95 Euro