Von Michael Berwanger

Ein Container ist – laut Definition – ein „Großraumbehälter, der ein einfaches und schnelles Verladen, Befördern, Lagern und Entladen ermöglicht“. Im Falle von Alexander Kluges „Russland-Kontainer“ (absichtlich mit K statt mit C geschrieben, als optische Annäherung an das russische Vokabular) handelt es sich um einen gut 430 Seiten starken Behälter, der assoziativ und ohne inneren Zusammenhang Texte, Zitate, Gedanken und Bildelemente zu nichts geringerem als dem Riesenreich Russland transportiert, um – wie Kluge schreibt – seinem eigenen Land näher zu kommen.

Kluges breit aufgestellte poetisch-literarische Fähigkeiten und sein vielfältiges Angebot an Genres umfassen eine enorme Spannweite an Erzähl-Stücken, um sich dem gigantischen Land anzunähern. Dabei werden viele Strukturen des „Schöner-Scheiterns“ und der „unfreiwilligen Komik“ sichtbar. Kluges Berichtelemente reichen von Winterwüste bis Zirkus, von Zar Alexander bis Antropow. Und immer wieder Weltraum, eines der wichtigsten Forschungsthemen der ehemaligen UdSSR und als Oben-Unten-Bild das Paradebeispiel unserer menschlichen Hybris. Denn Bild und Bildwerke (also Filme) hat es natürlich auch zur Genüge in Alexander Kluges „Kontainer“. Im Anhang kann man sich über QR-Codes mit Filmen und Filmschnipseln aus Kluges filmischem Œuvre versorgen. Auch wenn schon einige Texte und Erzählstücke in seinen älteren Werken aufgeschienen sind – wie zum Beispiel „Kongs große Stunde“ von 2015 –, fragt man sich unweigerlich, wo mag er, der 88-jährige Wahlmünchner, nur all die Fundstücke her haben? Eine Wundertüte.

Alexander Kluge: Russland-Kontainer.
Mitarbeit: Thomas Combrink.
436 S., gebunden, Suhrkamp Verlag, Berlin 2020.
34 Euro