Von Isa Bellini

Als Dominique – wie er es an jedem Abend nach der Arbeit tat – den Hügel hinab ging, erschrak er nicht nur deshalb, weil der wochenlange Regen seinen Trampelpfad einfach weggewaschen hatte und er ins Rutschen kam, nein auch, weil ihm plötzlich ein gläserner Aufzug im Wege stand, mitten im Dickicht des Isar-Wäldchens.

Der Regen lief ihm ins Genick. „Nichts wie rein“ dachte er. Falsch gedacht – die Kabine war voll, total voll, voll mit weißem Pferd und noch schlimmer. Die dampfenden Pferdeäpfel vernebelten die Glaswände und stanken ihn aus der offenen Türe an.

Der Isländer wieherte leise und winkte ihn herein, aber er winkte dankend ab und zurück, „ein andermal vielleicht“. Das Pferd schüttelte unzufrieden die Mähne, schnaubte kurz und drückte den Knopf für das 3. Untergeschoss.

Dominique griff sich an den Kopf, er wollte sich gerade wegdrehen, da machte es schon wieder „Bling“, die Türe ging erneut auf.

Diesmal … fast leer die Kabine, aber einer, genaugenommen er selbst, lehnte schon drin, während seine Füße draußen immer tiefer im Schlamm versanken. „Egal …, ich geh da rein“, sagte er sich, „bevor ich absaufe“.

Der Andere blickte missbilligend auf den Morast, der von seinen Schuhen sackte und hob die Augenbrauen, buschig, wie die seinen – auch er ein Messer im Halfter, schwarze Hose, schwarzes Hemd, auch er Wachmann der Bahnhofsmission, nur, dass er rauchte. „Verboten“ nuschelte Dominique in seinen Bart und zeigte auf  die Videoüberwachung.

Der Andere zog daraufhin ein Schulheft heraus, stupfte die Asche der „MOKRI OHNE“ zwischen die Seiten und blätterte um.

Jedesmal, wenn der graue Ascherand vorne das Übergewicht bekam – eine neue Seite. Die „MOKRI“ müssen noch vom Vater sein, denkt Dominique, die gibt es doch gar nicht mehr.

Während der Aufzug haltlos in die Tiefe sank, nahm der Andere tiefe Lungenzüge und blies blaugraue Rauchkringel gegen die Metalldecke.

Als die Zigarette an ihr Ende kam, legte er den Stummel auf die letzte Seite, rollte das Heft so zusammen, dass die Titelseiten-Fledermaus oben auf war und biss hinein. „Hunger“ sagte er dabei schmatzend und hielt Dominique dann das andere Ende hin. „Vegetarier“ sagte der und wandte sich angewidert ab. Da ruckelte der Aufzug – „Bling“ – und eine Frau im Ozelot drängte herein.

„Jetzt reichts“, schrie Dominique und drückte den roten Knopf.

© isa bellini