Das White-Ravens-Festival der Internationalen Jugendbibliothek wird am 19. Juli in der Blutenburg eröffnet. Dazu gibt es bayernweite Aktionen.

Am 19. Juli startet das White-Ravens-Festival für Internationale Kinder- und Jugendliteratur in München. Zum dritten Mal hat die Internationale Jugendbibliothek (IJB)in Obermenzing Autoren und Illustratoren aus dem In- und Ausland eingeladen. Sechs Tage lang werden sie von Schloss Blutenburg aus in München und bayernweit junge und jung gebliebene Leser entführen zu Workshops, Gesprächen, Lesungen und allerlei auch experimentelle gemeinsamen Aktionen rund um Kinder- und Jugendliteratur. Christiane Raabe, Direktorin der IJB, hat das Format entwickelt als Festival für hochwertige und besondere Literatur. Für dieses und andere Projekte hat sie im Mai die Bayerische Europamedaille von Europaministerin Beate Merk überreicht bekommen.

White Ravens wurde das Festival für Kinder- und Jugendliteratur 2010 im Haus getauft. Weiße Raben sind seltene Vögel, sie lassen aufmerken und staunen, manchmal beunruhigen sie vielleicht sogar, in jedem Fall aber stehen sie für den Reichtum an Möglichkeiten. Genau das will das Festival, das keineswegs nur in der idyllischen Umgebung von Schloss Blutenburg stattfindet, sondern bayernweit „on tour“ geht in Bibliotheken, Schulen, Kulturzentren und andere Bildungseinrichtungen. 16 Autoren und Illustratoren aus Deutschland, Finnland, Irland, Italien, Frankreich, Belgien, Österreich, England, Südafrika, Georgien, Tschechien, Kolumbien lesen und erzählen, auch in ihren Herkunftssprachen, über sich und ihre Arbeit.

Christiane Raabe hat Kunst, Malerei, Geschichte und Philosophie studiert und in mittelalterlicher Geschichte promoviert. Zur IJB kam sie 2007. Von Anfang ist es ihr hier ein Anliegen, die Bibliothek in den Dienst qualitativ hochwertiger Kinder- und Jugendliteratur zu stellen, kreative Räume zu gestalten für die Vermittlung von Literatur abseits globaler und damit glatt gebürsteter literarischer und ästhetischer Formate und Muster. Es gehe ihr nicht, stellt sie klar, um Leseförderung, nicht um Gebrauchsliteratur, nicht um Bestseller und Novitäten. Kinder- und Jugendliteratur versteht sie als ebenbürtigen Teil des Gesamtgebäudes Literatur. Aus dieser Sicht heraus geht es um den Respekt vor der kindlichen Welt und damit vor dem Kinderbuch, um die literarische Durchdringung von Jugend als einer Phase, die heute länger dauert und sich kaum mehr abgrenzen lässt vom Erwachsenenalter. Die Art der Narration und der Stilmittel unterscheidet sich zusehends weniger von Erwachsenenliteratur, All-Age-Titel wie „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ gewinnen an Bedeutung.

Wer später Proust lesen will, sollte im Blick haben, was er als Kind und Heranwachsender liest. Aus dieser Einsicht heraus wünscht Christiane Raabe sich, dass auch Eltern und Großeltern sich verabschieden vom Diktat „kindgerechter“ Literatur. Seltsame Bilder, ungewohnte Blickwinkel, eigenartige Erzählmuster, ungewöhnliche thematische und gestalterische Ansätze mögen zunächst verstören, dann aber auch an- und aufregen, wie „weiße Raben“ eben. Als Beispiel nennt die Bibliotheksleiterin den magischen Realismus, der in Deutschland keine Tradition hat, in Dänemark aber, neben Spanien und Südamerika und auch Japan, eine große Rolle spielt. Oft genug ist es derartige und vergleichbare Literatur, die hierzulande durchfällt und erst gar nicht erst übersetzt wird, besser: würde, denn genau diese Weiße-Raben -Literatur fördert die IJB mit allen Mitteln. Und das kann man durchaus wörtlich verstehen. Denn als Raabe zu Beginn ihrer Tätigkeit erfahren musste, dass gerade Heranwachsende bei den klassischen Lesungen immer mal wieder abzuschalten oder unangenehm aufzudrehen drohen, begann sie, mit weniger bewährten Mitteln der Vermittlung zu experimentieren. Aus diesem Grund pflegen Autoren in der IJB inzwischen nicht mehr nur vom Blatt zu lesen, sondern versuchen sich in Gesang und Tanz, Moderation und Blattgestaltung, Blog und Interview.

Das White-Ravens-Festival ist zwar klein und fein, vermag aber die Arbeit der IJB in ganz besonderer Weise zu bündeln und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Was im Hintergrund in der weltweit einzigartigen Bibliothek für die Entwicklung der Kinder- und Jugendliteratur gearbeitet, geforscht und nicht zuletzt sorgfältig gesammelt und archiviert wird, können die Münchner im reichhaltigen Jahresprogramm regelmäßig und fast täglich für sich und ihre Kinder entdecken. Einen besseren Einstieg als das Festival gibt es nicht. Es beginnt mit der Auftaktveranstaltung am Samstag, 19. Juli, geplant als Lesenacht für Jugendliche und junge Erwachsene, mit Musik, Café, Barbetrieb, gemeinsam mit acht Autoren, die auch in ihren Originalsprachen lesen und erzählen. Am Sonntag geht es weiter mit einem Lesefest mit sieben Kinderbuchautoren (u.a. Christine Nöstlinger und Axel Scheffler) und einem Fußballmatch der Autoren gegen Kinder und Jugendliche. Ein weiterer Höhepunkt ist der Auftritt von zwei Kinder-Lyrikern im Lyrik-Kabinett.
Das Gesamtprogramm unter www.ijb.de.
Ursula Sautmann