Die berührende Korrespondenz zwischen Kurt Landauer und dessen späteren Frau Maria Baumann

Von Katrin Diehl

Kurt Landauer (1884-1961) ist in München kein Unbekannter mehr. Wer sich ein bisschen für Fußball und den FC Bayern München interessiert, wer die Augen nicht ganz davor verschließt, was mit den jüdischen Münchner und Münchnerinnen während der Nazizeit geschehen ist, der weiß mit diesem Namen etwas anzufangen. 1919 bis 1933 hatte Landauer die Präsidentschaft des FC Bayern inne. Unter ihm wurde der Verein – das war 1932 – zum ersten Mal deutscher Meister. Ein halbes Jahr später kommt Hitler an die Macht. Landauer muss als Vereinspräsident zurücktreten. Weil er Jude ist. Ein Tag nach der Reichspogromnacht im November 1938 wird er, völliger Willkür ausgesetzt, verhaftet. Es folgen 33 Tage Konzentrationslager Dachau. Danach ist auch ihm, der dieses München so liebte, der im Ersten Weltkrieg als Freiwilliger gekämpft hatte, klar, dass er das Land verlassen muss. Dass ihm das gelingt, hat mit viel Glück zu tun: Die ihm bekannte Familie Klauber/Klopfer (und das ist eine andere Geschichte) hatte sich um Bürgschaft und Aufenthaltspapiere für ihn gekümmert. Landauer landet in der Schweiz, in Genf, bleibt dort über sechs Jahre, dem Tod zwar entkommen, aber ansonsten fast allem verlustig, was ein zuversichtliches Lebensgefühl ausmacht. Vier seiner sechs Geschwister, Franz, Gabriele, Leo und Paul, waren in der Shoah ermordet worden.

„Weißt Du, was es heißt, wenn man (…)  plötzlich heimatlos (…) und nun auf einmal staatenlos geworden ist? (…) Weißt Du, was es heißt, unter fremden Leuten leben zu müssen, jahraus, jahrein in dem nämlichen bescheidenen Zimmer?“, schreibt Landauer irgendwann zwischen Oktober 1944 und Januar 1945 seiner Geliebten, die in München zurückgeblieben war. Sie hieß Maria Baumann (1899-1971), war Haushälterin der Landauers gewesen. Mit ihr hatte er Ende der 20er Jahre eine „Beziehung“ begonnen, war mit ihr liiert.

Und so wie durch diese Korrespondenz zwischen Kurt und Maria, die jetzt als Buch vorliegt, ganz unbekannte Seiten des FC Bayern Präsidenten aufscheinen, so gilt es, Maria Baumann zu entdecken (und deshalb hätte man sich fast eine andere Buchtitelgestaltung gewünscht, eine, die ihr, in Wort und Bild, mehr Platz eingeräumt hätte).

2017 hatte eine Nichte Maria Baumanns dem Jüdischen Museum München ein Konvolut übergeben mit über 30 Briefen, darunter ein 77-seitiger „Lebensbericht“, an dem sich Kurt Landauer in seinem Genfer Exil von 1939  bis 1945 abgearbeitet hatte („geschrieben“ und auch immer wieder „vernichtet“) und der schließlich Maria zugegangen war. In ihm liegt viel existentieller Kampf, viel Privatheit, die – würde man nicht den Wert des Schreibens als eindrückliches Dokument so sehr schätzen – doch empfindlich berührt. Landauer hebt darin einzelne Szenen aus der Erinnerung hervor, die große Bedeutung hatten für die beiden, erklärt sich, das Auf und Ab ihrer Beziehung, drückt Liebe wie Verzweiflung aus in fast jedem Satz und bittet aus der Ferne um Marias Hand.

Landauer zeigt sich versiert im Schreiben, zeigt sich als Intelektueller, belesen, Kenner der klassischen Musik, Züge, die man nicht unbedingt mit einem Fußballmenschen verbindet, die es aber umso wichtiger sind zu registrieren.

Maria Baumann war unter der Naziherrschaft an der Seite ihres Geliebten und dessen Familie geblieben. Und auch nach den sogenannten Nürnberger Rassegesetzen von 1935 und trotz der Gefahr, denunziert zu werden, hatte sie als Nicht-Jüdin an der Beziehung festgehalten. Sie wird nicht als Widerstandskämpferin in die (Münchner) Annalen eingehen. Dennoch ist sie Beispiel und Beweis dafür, dass man nicht mitmachen musste, was im Grunde von mindestens ebenso großer Bedeutung ist. Die Korrespondenz, herausgegeben von Jutta Fleckenstein und Rachel Salamander, wird von ausführlicher wissenschaftlicher Kommentierung, der man die sorgfältige Recherchearbeit anmerkt, begleitet.

1948 kehrt Kurt Landauer nach München zurück, nicht wegen des Fußballs, sondern wegen Marie. Der FC Bayern macht ihn wieder zum Präsidenten. Und 1955 wird geheiratet.

Jutta Fleckenstein und Rachel Salamander (Hrsg.): Kurt Landauer. Der Präsident des FC Bayern.
Lebensbericht und Briefwechsel mit Maria Baumann, 380 S.,
Insel Verlag, Berlin 2021,
28 Euro