Börsenverein des Deutschen Buchhandels warnt vor den Folgen des Freihandelsabkommens (TTIP)

Interview mit Alexander Skipis

Mehr Wachstum, mehr Jobs, mehr Geld, keine Zölle: das Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) zwischen EU und USA klingt wie Weihnachten und Ostern zusammen. Seit Monaten wird in Brüssel verhandelt – hinter verschlossenen Türen. Schriftsteller, Verleger und Buchhandlungen befürchten, dass mit der Unterzeichnung des Freihandelsabkommens die Buchpreisbindung für gedruckte Bücher und für E-Books gekippt wird. Was das bedeuten könnte, wollten die „LiteraturSeiten München“ von Alexander Skipis wissen, dem Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels (Frankfurt).

LiteraturSeiten (LS): Was bedeutet und was bringt eigentlich die Buchpreisbindung?

Alexander Skipis: Die Buchbranche ist ein wichtiger Kulturzweig in Deutschland, der keine direkten staatlichen Subventionen erhält und marktwirtschaftlich organisiert ist. Ziel der Buchpreisbindung ist es, das Buch als Kulturgut vor dem Preiswettbewerb zu schützen. Jedes in deutscher Sprache erscheinende Buch und E-Book hat für mindestens 18 Monate einen vom Verlag festgesetzten Preis. So garantiert die Buchpreisbindung, dass es ein vielfältiges Buchangebot und ein weit verzweigtes Netz an Buchhandlungen gibt. Verlage können durch die Preisbindung eher auch Titel jenseits der Bestseller auf den Markt bringen. Das Ergebnis: Die Titelvielfalt auf dem deutschen Buchmarkt ist eine der größten weltweit. Die Buchpreisbindung sichert so die Qualität und Vielfalt auf dem Buchmarkt und trägt in erheblichem Maße zur Kultur und Gesellschaft in Deutschland bei.

LS: Welche Gefahr sehen Sie in den Verhandlungen zum Freihandelsabkommen für die deutsche Buchkultur?

Skipis: Da der kulturelle Sektor nicht aus dem Verhandlungsmandat ausgeklammert wurde, stehen beim Freihandelsabkommen die flankierenden Schutzmaßnahmen zur Disposition, die für den Buchmarkt überlebensnotwendig sind. Den großen amerikanischen Online-Firmen wie Amazon, Google oder Apple ist die Buchpreisbindung schon lange ein Dorn im Auge. Ohne Zweifel werden sie sich massiv dafür einsetzen, dass sie zu Fall gebracht wird. Ohne Preisbindung stehen die Vielfalt und die Qualität des Buchmarkts in Deutschland auf dem Spiel. Es würde ein Massensterben von Buchhandlungen eintreten. Das können Sie in allen Ländern ohne Buchpreisbindung sehen. In der Folge würden Verlage nur noch leicht verkäufliche Massenware produzieren, neue Autoren hätten es schwer und den Lesern stünde eine deutlich geringere Auswahl zur Verfügung. Auch die Preise würden letztlich steigen. Auch das sieht man in Ländern ohne Buchpreisbindung. Der Vergleich mit dem US-amerikanischen Buchmarkt zeigt, dass dort der durchschnittliche Buchpreis höher ist als hierzulande. Da die Gespräche zum TTIP hinter verschlossenen Türen geführt werden, ist für die Öffentlichkeit und auch für uns völlig intransparent, ob nun die Preisbindung und urheberrechtliche Fragen Gegenstand der Verhandlungen sind oder nicht.

LS: Die französische Regierung hat darauf gedrängt, die Kultur aus den Verhandlungen auszuklammern. Wie verhält sich die deutsche Regierung?

Skipis: Der Börsenverein hat sich schon zu Beginn der Verhandlungen zum Freihandelsabkommen vehement für eine kulturelle Ausnahme eingesetzt. Die Bundesregierung hat diese Forderung allerdings in der letzten Legislaturperiode nicht aufgegriffen. In der Koalitionsvereinbarung der Bundesregierung für diese Legislaturperiode ist die Ausnahme für den Kultursektor im Freihandels-abkommen aufgenommen. Deshalb erwarten wir jetzt, dass die Bundesregierung sich auch entsprechend dafür auf europäischer Ebene einsetzt. Kulturstaatsministerin Monika Grütters macht sich auf europäischer Ebene für eine kulturelle Ausnahme stark, der Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat sich ebenfalls in diese Richtung geäußert.

LS: Bei den Verhandlungen ist offenbar strittig, ob E-Books Kulturgüter oder Dienstleistungen sind. Wenn das digitale Buch nur eine Dienstleistung ist, fällt es dann noch unter den Kultursektor?

Skipis: Sie weisen da auf einen sehr wichtigen Punkt hin. In der Tat sind wir sehr aufmerksam, dass nicht Teile des Kultursektors, nur weil sie nach der Nomenklatur der EU unter „Dienstleistungen“ oder „Telekommunikation und Medien“ fallen, auf diesem Weg doch verhandelt werden.

LS: Warum ist die Buchpreisbindung für digitale Bücher wichtig? Hätte das Ende der E-Book-Preisbindung Auswirkungen auf den Buchhandel, die Verlage, die Print-Bücher, die Autoren, die Leser?

Skipis: Für die kulturelle Bedeutung macht es keinen Unterschied, ob Bücher digital oder gedruckt vorliegen. Der Wegfall der Preisbindung für E-Books hätte fatale Folgen. Deshalb ist die Buchpreisbindung hier genauso wichtig. Auch hier würde ein Preiswettbewerb der Qualität und Vielfalt schaden. Zudem befürchten wir, dass dies auch Einfluss auf die Preisbindung für Print-Bücher hätte.

LS: In Bremen haben Buchhändler gegen TTIP demonstriert und ihre Schaufenster mit Krepp-Papier zugeklebt. Können Sie sich vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels noch andere Protestformen vorstellen?

Skipis: Wir appellieren an unsere Mitglieder, direkt ihre Bundestagsabgeordneten auf das Thema anzusprechen. Zudem sollten sie ihre Kunden und ihr Umfeld für das Thema sensibilisieren. Es kann nicht eindringlich genug darauf hingewiesen werden, welche Konsequenzen das Freihandelsabkommen für unsere Branche haben könnte.

LS: Warum gründen die deutschen Verlage und der Buchhandel keine eigene Online-Plattform?

Skipis: Es gibt solche Plattformen bereits. Ein Beispiel ist buchhandel.de, das aktuell weiter ausgebaut wird. Kunden können darüber E-Books kaufen oder Bücher bestellen und in einer Buchhandlung vor Ort abholen. Der Buchhandel und die Verlage selbst sind hierzulande digital gut aufgestellt und begegnen den aktuellen Entwicklungen mit innovativen Ideen. Inzwischen bieten zwei Drittel der Verlage E-Books an und 80 Prozent der Buchhandlungen haben einen Internetauftritt mit eigenem Online-Shop. Beim Verkauf von E-Books hat die deutsche Buchbranche zudem im vergangenen Jahr mit dem „Tolino“ eine erfolgreiche Alternative zu Amazons Kindle geschaffen. Innerhalb kürzester Zeit ist die Allianz von Thalia, Hugendubel, Weltbild und der Telekom zum schärfsten Konkurrenten des Kindle geworden. Nur ein halbes Jahr nach seiner Einführung lag der Marktanteil des Tolino bei 37 Prozent, gegenüber dem Kindle mit 43 Prozent.
Interview: Ina Kuegler