Der Münchner Autor Thomas Lang schreibt – Leser können Einfluss nehmen

Schreibblockade ausgeschlossen, geht gar nicht. Jeden Tag wird geschrieben. Bis der Roman fertig ist. Dieses Wagnis ist der Berliner Schriftsteller Tilmann Rammstedt eingegangen – er lieferte von Januar bis April 2016 regelmäßig vor der Netz-Öffentlichkeit den Fortsetzungsroman „Morgen mehr“. Der Münchner Schriftsteller Thomas Lang geht noch weiter: Ab September startet er über einen Zeitraum von sechs Monaten ein literarisches online-Experiment. Lang wird einen Roman oder eine längere Erzählung mit dem Titel „Der gefundene Tod“ schreiben. Anders als beim Rammstedt-Experiment können Leser-Innen diese Arbeit sogar beeinflussen.

Oliver Twist“, „Der Graf von Monte Christo“, „Der Schatz im Silbersee“ oder „Im Westen nichts Neues“ – all diese Romane haben Eines gemeinsam: Sie erschienen im Feuilleton großer Zeitungen, sie waren Fortsetzungsromane. Das 21. Jahrhundert verlangt andere Formen: Thomas Lang schreibt live und offen im Netz. Rammstedts Experiment beim Hanser-Verlag war Abonnenten vorbehalten, bei Thomas Lang können sich alle interessierten LeserInnen einklinken. Dazu heißt es in einer Pressemitteilung vom „Literatur Portal Bayern“, das das Lang-Projekt unterstützt: „Die Leser rezipieren nicht mehr nur das fertige Textergebnis, sondern den gesamten kreativen Prozess, zum Beispiel indem der Autor Materialien seiner Entwürfe, Notizen und Recherchen zugänglich macht oder mehrere Textvarianten zur Debatte stellt.“ Darüber hinaus diskutiert Lang mit seinen LeserInnen über die Mischung von Wirklichkeit und Fiktion, geht der Frage nach, wie man einer Figur Leben einhaucht und wie man „den eigenen Ton“ findet. Eine Gruppe von Schülern soll sogar die Möglichkeit erhalten, eine eigene literarische Figur selbst zu gestalten.

Thomas Lang, Ingeborg-Bachmann-Preisträger des Jahres 2005 und zuletzt bekannt geworden durch seinen Hermann-Hesse-Roman „Immer nach Hause“, will eine Coming-of-age-Geschichte erzählen. Im Mittelpunkt von „Der gefundene Tod“ stehen drei jugendliche Außenseiter, die bei einer Feier einen Toten im Gleisbett finden, die Leiche mit Schlägen malträtieren und sich anschließend in den sozialen Medien brüsten. Ihre Umwelt reagiert schockiert, sie isoliert das Trio und verschärft das eigentliche Problem noch. Dazu erklärt das Literaturportal Bayern: „Diese komplexe Entwicklungs- und Gesellschaftsgeschichte knüpft an jüngere, dokumentarisch belegte Fälle aus der deutschen Provinz an.“ Dabei stelle sich die Frage, was derartige Grenzverletzungen über unsere Gesellschaft und ihre Conditio Humana aussagen.

Wer Thomas Lang, der für dieses Projekt eines der begehrten Autorenstipendien des Deutschen Literaturfonds erhalten hat, über die Schulter blicken will, kann dies unter folgender Adresse tun:
netzroman.thomaslang.net

Ina Kuegler  

Begleitende Informationen zur Entstehung von „Der gefundene Tag“ und dem Verlauf des Projekts sind ab sofort auch regelmäßig im Blog des Website des Literaturportals zu finden:  www.literaturportal-bayern.de