Das Caveau – Ein literarisches Wohnzimmer in Schwabing

Von Ursula Sautmann

Man könnte ohne weiteres achtlos vorbeigehen am Schild neben der Einfahrt. „Atelier Caveau – Kunst, Literatur, Genuss. Konstantin Rüchardt und Cecily Garver“ steht da, in der Tengstraße 25, geschrieben: recht unscheinbar und im Juni garniert mit einer Ankündigung im DIN-A-4-Format. Edo Popovi´c, kroatischer Schriftsteller und Stipendiat der Villa Waldberta, liest in der Reihe „Prosa im Caveau“. Veranstalter sind Jürgen Bulla und Johan de Blank.

Die Protagonisten dieses Veranstaltungsorts wären damit genannt. Doch der besondere Charakter bleibt noch auszuleuchten. Im Hinterhof ist Spürsinn gefragt, der Eingang zum Caveau mit einem Schild und dem Hinweis „Wein aus dem Languedoc“ immerhin markiert. Davor: eine Sitzbank mit Wohnzimmerstühlen, eine altmodische Deckenlampe unterm Plexiglasdach, Kübel mit Wein- und Tomatenpflanzen, Regenschirme für den Fall der Fälle. Die Dachkonstruktion knackt sich durch die Wartezeit hindurch, bis der Autor und die Veranstalter eintreffen. Die Besucher sind offenbar gekommen, weil sie den Autor kennen, nicht aber die Location.

Der Raum im Atelier von Konstantin Rüchardt, genannt Ko, ist gemütlich, ausgestattet mit farbenfrohen Sofas, Beistelltischchen in Himbeerfarben, abgebrannten Kerzen, einer nackten Glühbirne an der Decke und großformatigen Bildern neben Heizungsrohren. Der lesende Autor ist so zunächst einmal Teil eines Gesamtkonzepts. Ko will seine Räume gut nutzen. Jürgen Bulla schreibt selber Gedichte und Prosatexte und setzt sich immer mal wieder auch hinter den Lesetisch im Caveau, Mitveranstalter Johan de Blank kann auf eine 20jährige Erfahrung im Kulturmanagement zurückblicken und ist den Münchnern als Veranstalter von „Wortspiele“, einem internationalen Festival junger Literatur, bekannt, das im März zum 14. Mal stattfand.

Es lohnt sich, das Caveau für eine Lesung zu besuchen. Das Ambiente ist ungewöhnlich und doch vertraut, weil heimelig. Und es öffnet einen für Lesungen, die abseits des Mainstreams jedem einzelnen Zuhörer entgegenkommen und einnehmen wollen. Und so ist denn auch gleich eine Vertrautheit da zwischen Autor und Zuhörern, als Edo Popovi´c das Wort ergreift. Zuvor hat Bernd Zabel vom Goethe-Institut als ständiger Mitarbeiter von Bulla und de Blank kurz eingeführt in das Leben eines Zeitgenossen aus Kroatien, der die wilden 80er Jahre in Zagreb, Krieg und EU-Beglückung mitgemacht hat. Der Autor berichtet glaubwürdig, weil aus sehr persönlicher Sicht, was aus ihm und seinem Land über die Jahrzehnte geworden ist. Sie haben sich auseinandergelebt, der Autor und das Land, und sind sich in tiefer Zuneigung verbunden geblieben. Popovi´c ist bekannt geworden mit „Mitternachts-
boogie“, einem Porträt der zornigen Zagreber Jugend der 80er Jahre, hat sich von 1991 bis 1995 als schonungsloser Kriegsberichterstatter mit Reportagen einen Namen gemacht, um dann, ernüchtert, in „Der Aufstand der Ungenießbaren“ im neuen Kroatien zu landen, wo „das Hauptmotiv Bereicherung ist“, wie er im Caveau erläutert. Er erzählt von Kriegsgewinnlern, von ausländischen Investoren und Bauern, die das Land verlassen. „Die Auswirkungen des Turbo-Kapitalismus sind schlimmer als es der Krieg war“, so sein Resumée. Eine ernste Lungenerkrankung hat ihm neue Wege und Perspektiven eröffnet, an denen er seine Leser mit Auszügen aus dem Essay „Anleitung zum Gehen“ (Luchterhand) teilnehmen lässt.

Im Caveau in Schwabing ist Literatur, ist der Autor ganz nah – wenn man will, denn die Atmosphäre ist zwanglos. Man kann seine Aufmerksamkeit auch den immer wechselnden Ausstellungen im Raum widmen. Doch man lässt sie sich ungern entgehen: die Chance, einen Autor oder eine Autorin kennenzulernen, der oder die etwas zu sagen hat. Es gibt sie, das beweist die Tatsache, dass im September die 100. Lesung stattfindet.

In unserer Reihe „Münchens literarische Orte“ stellten wir bislang vor: Substanz, Autorengalerie, La Cantina, Vereinsheim, Streitfeld, Haidhauser Literaturbox 1, von Parish-Kostümbibliothek, Tolstoi-Bibliothek, Lesefüchse, Café Luitpold, Hörgang, die Mohr-Villa und das Café Ruffini.

Damit beenden wir diese Serie.