Von Katrina Behrend Lesch

Gern wird so ein Roman auch Roadmovie genannt, zwar ein dem Film entliehener Begriff, aber insofern stimmig, weil Lesen ja Kino für den Kopf ist. Seit „Tschick“, Wolfgang Herrndorfs Kultroman, hat diese Literaturgattung enorm an Boden gewonnen. Autor schickt Helden auf die Reise, damit der am Ende womöglich erkennt, wer er ist, wo er im Leben steht und was er von selbigem will. Bernhard Blöchl, Münchner Schriftsteller, Journalist und Betreiber des „Museums der schönen Sätze“ (www.lieblingssaetze.de), hat sich so einen Typen ausgedacht. Knoppke, Wachmann in der Allianz-Arena, nicht mehr ganz jung, nicht mehr ganz ansehnlich und mit einem miefigen Namen ausgestattet, nimmt sich inmitten allen Fußballwahnsinns nur mehr als „Zuschauerzuschauer“ wahr. Als er am Abend des Siegs Chelsea gegen Bayern, den Begeisterungstaumel der Fans noch in den Ohren, feststellt, dass ihn seine Lebensabschnittsgefährtin betrügt, knickt er den gemeinsamen Gran-Canaria-Urlaub und fährt ohne sie los in die schottischen Highlands. Einsamkeit und Regen, das ist es, was sich der Eigenbrötler und konsequente „Frauennichtversteher“ wünscht, doch kurz nach Augsburg macht ihm die junge Tramperin Sam einen Strich durch die Rechnung. Dem wortkargen Mann gelingt es irgendwie nicht, die nervtötende Quasselstrippe loszuwerden, wobei nach und nach klar wird, dass hinter ihr mehr als eine Zufallsbegegnung steckt.

In Vor- und Rückblenden, Abzweigungen, einem Tagebuch, von dem man lange nicht weiß, wer es geschrieben hat, und Erinnerungsfetzen, die er zögerlich zulässt, dringt Knoppke langsam zu seinen vergrabenen Gefühlen vor. Warum er zunächst das Glück immer nur bei den anderen sieht, sich selbst mit wohlfeilen Redensarten begnügt und dem Leben nichts mehr abgewinnen kann, das ist der Trip, den er sich und dem Leser aufbürdet. Bernhard Blöchl erzählt aus der Perspektive seines Helden, bedächtig und lebhaft, sperrig und geschmeidig, einsilbig und wortreich, den Charakteren seiner Figuren angepasst. Manchmal haben es die Sätze in sich wie etwa die Titelzeile, die sich sozusagen querstellt. Wie die Klavierruine am Anfang und am Ende des Romans, die im Ben-Nevis-Gebirge aus dem Nebel auftaucht und zur Unzeit ins Rutschen kommt – was für eine Metapher.

Bernhard Blöchl
Im Regen erwartet niemand, dass dir die Sonne aus dem Hintern scheint
Roman, 272 Seiten, Klappenbroschur
Piper, München 2017
14 Euro