Von Paul Holzreiter

Der Kies knirscht, die Sonne blinzelt durch die Kastanien, der Willi, eben noch vor mir auf den Biertisch hingelümmelt, kriegt auf einmal einen weiten Blick. Er rappelt sich hoch, richtet sich hinter seiner Maß auf: „Ich bin ein Chamäleon.“

Ein Chamäleon? Der Willi? Wie kommt er denn da drauf? „Kack“, sage ich, „kack, bist du ein Chamäleon. Du bist der Willi!“

„Willi, das Chamäleon“, sagt der Willi. Er hebt seine Maß und will mit mir darauf anstoßen, dass er es zum Chamäleon gebracht hat.

„Willi!“ sage ich streng, nehme meine Hand von der gemeinsam gekauften und anteilig bezahlten Breze, um mein Glas gegen die unbotmäßige Annäherung in Schutz zu nehmen. Genau in diesem Moment – paff! – schießt die Zunge heraus.

Donnerwetter, der Willi, ein Chamäleon! Noch mehr als das Herausschießen der Zunge frappiert mich, wie die Breze am Stück in Willis Mund verschwindet und sodann – unzerkaut! – seinen Hals hinunterwandert.

„Willi“, sage ich, meine Überraschung nur mühsam verbergend, „dass du dich nicht schämst! Das war unsere gemeinsam gekaufte und anteilig bezahlte Breze!“

„Schämen?“, sagt der Willi, „kannst du haben: Schamesröte, Zornesbleiche, das Gelb des Geizes, das Grün der Eifersucht, alles kein Problem für Willi, das Chamäleon.“

„Willi“, sage ich, „irgendetwas stimmt hier nicht. Entweder bist du verrückt oder ich.“

„Kack“, sagt der Willi unter Verwendung meines Lieblingswortes, als ob es sein eigenes wäre, „Kack“, sagt er, „alles im grünen Bereich“, und nimmt die entsprechende Farbe an.

Der Kies knirscht, die Sonne blinzelt, ein sanfter Wind weht durch die Kastanie, die uns mit ihrem Schatten verwöhnt. Ich richte mich auf und hebe mein Glas: „Auf Willi, das Chamäleon!“