Keine Frankfurter Buchmesse?
Ein Dichter dichtet einfach weiter …

Von Katrin Diehl

Uwe-Michael Gutzschhahn ist breit aufgestellt. Der 68-Jährige, der in Dortmund aufgewachsen ist, in Bochum Germanistik und Anglistik studiert, anschließend über Christoph Meckel promoviert hat, ist – so lässt sich das eindeutig sagen – als Autor, Dichter, Übersetzer, Herausgeber, Lektor … in Sachen „Sprache“ unterwegs. Sie steht im Mittelpunkt seiner Lebenswelt und das beinahe ohne Unterlass. Das klingt anstrengend, wären da nicht heitere Passion und unbändige Faszination mit im Boot, die sich dem offenbaren, der sich längst mit leichten Schwingen über die Ebene nüchterner Kommunikationsmodelle erhoben, die reine Funktionalität der Sprache als Fakt registriert und einfach abgehakt hat. „Wenn man bedenkt, dass man nur mit der Sprache das Gegenteil der Realität denken und ausdrücken kann …“, sagt Gutzschhahn. Auf das „Dann“, das da eigentlich noch folgen müsste, verzichtet er vielsagend. Gibt sich und seinem Gegenüber Zeit zum Staunen.

Kein Wunder also, dass es im mannigfaltigen Gutzschhahn-Bücher-Angebot viel ums Gedicht geht, das für Worte eben die größte Bühne bereithält, und dass da Titel auftauchen wie zum Beispiel „Unsinn lässt grüßen“ (2012), den ein Band voller Nonsens-Gedichte tragen darf. Kein Wunder auch, dass Gutzschhahn beim bunten Treiben mit Sprache einen engen Draht zu Kindern hat, die dankbar wie verblüfft entgegennehmen, was ihnen da ganz unvermittelt zuflattert, denn mit der Sprache zu spielen, kennen sie kaum aus ihrem Schulalltag. Das muss man ihnen wohl erst einmal ganz offiziell erlauben. Bei einer seiner letzten Lesungen vor dem Lockdown sei ein Junge, „so etwa 10 Jahre wird er alt gewesen sein und er hatte eindeutig Migrationshintergrund“, zu ihm gekommen, erzählt Gutzschhahn, und habe ihm gesagt, dass die deutsche Sprache noch ein wenig neu für ihn sei. „Und weißt Du, Michael“, habe er hinzugefügt, „sonst muss ich die deutsche Sprache immer lernen und das ist so schwer, und bei dir konnte ich mit Sprache spielen und das hat so viel Spaß gemacht“. „Das werde ich nie vergessen“, sagt Gutzschhahn, wirkt berührt und in seinem Innersten verstanden.

In München lebt Gutzschhahn seit 1996. Neben der Wort-Arbeit am Schreibtisch gibt er auch Workshops, hält Fachvorträge an Universitäten über Lyrik, übers Übersetzen … Zu jedem 10. des Monats „bloggt“ er im Online-Forum der Zeitschrift „DAS GEDICHT“ ein Kindergedicht, präsentiert die jeweiligen zeitgenössischen Dichter und Dichterinnen dazu, und wer will, kann sich das Gedicht dort auch vortragen lassen.  Mittlerweile wurden da über 350 Gedichte vorgestellt. „Und das ist schon ein Riesending“, sagt Gutzschhahn.

Wer Bücher füllt (an die 30 Titel gibt es von Gutzschhahn als Schreiber, dazu kommen noch all die, hinter denen er als Herausgeber steht oder die er übersetzt hat …),
kennt den Büchermarkt und deshalb ist Uwe-Michael Gutzschhahn natürlich genau der Richtige, wenn es um das Thema Frankfurter Buchmesse geht, die in diesen Tagen hätte beginnen sollen, dies aber jetzt doch nicht tut. Also bleibt Zeit und Raum, sich zu erinnern. „Es wäre jetzt, glaube ich, das vierzigste Mal gewesen, dass ich auf die Messe gegangen wäre“, sagt Gutzschhahn und denkt dabei ein wenig wehmütig daran zurück, „wie es früher so war“. „Es war ganz anders. Man war an allem beteiligt. In den ersten Jahren – ich habe da ja bei Verlagen gearbeitet – haben wir die Bücher noch selbst ausgepackt und in die Regale gestellt. Das machen heute alles irgendwelche Trupps. Und am letzten Tag haben wir die Bücher eigenhändig verkauft. Jeder war beteiligt vom Lektor bis zum Werbemensch.“ Über die jeweiligen Verlage hinweg habe man sich unter Freunden gefühlt. „Da gab es nicht diese wirklich harte Konkurrenz. Man traf sich abends, man saß zusammen und hat zusammen über nächste Ideen nachgedacht.“ Heute sei alles viel „merkantiler“ geworden, sagt Gutzschhahn.

Auch das „Gastland“ Kanada, dessen Einladung zur Messe von diesem aufs nächste Jahr verschoben worden ist, kommt kurz zur Sprache. Es gibt ein paar Titel, die Gutzschhahn aus dem kanadischen Englisch ins Deutsche übersetzt hat und dabei habe er immer eine gewisse Störrigkeit in der Sprache gespürt, sagt er, was vielleicht damit zu tun habe, dass in diesem Land eben auch Französisch gesprochen werde und das seine Einflüsse ausübe. Außerdem hätten die Kanadier eine Vorliebe „für entlegene Vokabeln“, die sie dem naheliegenden Wort vorzögen. Und natürlich hat Gutzschhahn zur Buchmesse noch einen anderen Bezug. Am letzten Freitag der Messezeit wird da ja immer der „Deutsche Jugendliteraturpreis“ vergeben. Den hat er schon viermal bekommen, dafür nominiert war er bereits über 15 mal. „Ich gehe da aber einfach auch gerne hin, und eben nicht nur, um einen Preis entgegenzunehmen, sondern um die Menschen kennenzulernen, die hinter guten Büchern stehen.“ Seit September gibt es ein neues Buch von Gutzschhahn: „Mäusekino – Ein Versfest für Kinder“. In jedem Gedicht versteckt sich da irgendwo eine Maus.