Eine Erich Kästner-Ausstellung des Literaturhauses München

Fast 30 Jahre, von 1945 bis zu seinem Tod 1974, hat Erich Kästner in München gelebt. Er hat den Literaturpreis der Landeshauptstadt München und andere Auszeichnungen erhalten. Die Ausstellung weist auf Bekanntes hin und arbeitet Unbekanntes heraus. Sie spricht Experten, Laien und Kinder an.

Erich Kästner hatte und hat Millionen Leser, junge und alte. Er begegnet den Menschen in den unterschiedlichsten Erscheinungsformen des Schrifttums: in Büchern und Zeitschriften, in Gedichten und Erzählungen, in Kritiken und Prosa-Stücken, in Drehbüchern und Kabarett-Texten. Man wird ihm nicht entkommen, und sollte es auch nicht, denn er hat auch heute noch so viel zu sagen, in einer klaren Sprache, die vor schlichten Wahrheiten nicht zurückscheut. Und dabei auch noch höchst unterhaltsam ist, weil Witz und Satire nicht zu kurz kommen.

Wer heute (wieder) Erich Kästner in die Hand nimmt, wird staunen über seine Klarsicht, seine sichere Verortung im Moralischen, seine Ausgelassenheit und Lebenslust. Was gut und richtig ist, da scheint es keine offenen Fragen zu geben bei Kästner, nur eindeutige Antworten, die verblüffend aktuell erscheinen. Er ist ein Moralist, ohne ein Moralprediger oder gar ein Spießer zu sein. Er hat Witz, was der Lust am Lesen seiner Bücher bekömmlich ist. Und er hat Zweifel, fühlt Unsicherheit, Einsamkeit, Heimatlosigkeit, gerade als Autor der Großstadt. Viel Weh-Mut (nie Wehleidigkeit) springt den Leser an in den Texten für Erwachsene, aber auch in den Kinderbüchern. Diese Spannung zwischen Geradlinigkeit und Zweifel ist es, die seine Bücher auch heute noch lesenswert machen.

Die Ausstellung im Literaturhaus ist die erste große über diesen Autor, seit sein Nachlass im Literaturarchiv in Marbach vollständig zur Verfügung steht. Sie hat den „ganzen“ Autor zum Thema. Sie beschäftigt sich mit der Versfabrik, in der Kästners Sekretärin die Gedichte für den Versand aufbewahrte; sie beleuchtet das Doppelgänger-Motiv, und sie widmet sich dem Blauen Buch, in dem Kästner in der NS-Zeit Notizen machte. Private Leihgeber und Sammler tragen mit ihren manchmal skurrilen Schätzen dazu bei, dass es nicht langweilig wird im Erdgeschoss des Literaturhauses. Die Illustrationen der Internationalen Kinder- und Jugendbibliothek unterhalten Kinder und Erwachsene.

Es war der Atrium Verlag, der – neben vielen anderen – den Anstoß für die Ausstellung gab. Kästner weigerte sich, das Land zu verlassen, als 1933 seine Bücher verbrannt wurden, „in Berlin, auf dem großen Platz neben der Staatsoper, von einem gewissen Herrn Goebbels mit düster-feierlichem Pomp“, wie er selber schrieb und ausführte: „Ich war der einzige der Vierundzwanzig, der persönlich erschienen war, um dieser theatralischen Frechheit beizuwohnen.“ Seine Bücher sah er von da an, 12 Jahre lang, nicht mehr in den Regalen und Schaufenstern der Buchläden in Deutschland. Da musste er schon verreisen, was er nur selten tat. Die neue Heimat seiner Bücher wurde zunächst Basel, dann Zürich. Sein Verleger Kurt Leo Maschler gründete 1935 den Atrium Verlag, der noch heute „Der Erich Kästner Verlag“ im Logo trägt. Maschler wurde selber als Jude verfolgt, musste emigrieren und kam 1939 nach London, von wo aus er während des 2. Weltkriegs Kästner-Rechte in über dreißig Länder verkaufte. Der Verlag gehört heute zur Verlagsgruppe Friedrich Oetinger, er feiert heuer sein 80-jähriges Bestehen. Erich Kästner steht im Mittelpunkt des Verlagsprogramms. 2013 erschien mit „Der Gang vor die Hunde“ erstmals die ungekürzte und unveränderte Urfassung von „Fabian“ unter dem Titel, den der Autor vorgesehen hatte.

Es gibt viele gute Gründe, sich wieder einmal intensiv mit Erich Kästner zu beschäftigen. Die Ausstellung im Literaturhaus macht Lust auf eine (Wieder-)Begegnung. Der Atrium Verlag steht dem interessierten Leser hilfreich zur Seite. Soeben erschienen sind „Sonderbares vom Kurfürstendamm. Berliner Beobachtungen“ (160 Seiten, 12,99 Euro) und „Ein Mann gibt Auskunft. Gedichte“ (112 Seiten, 12,99 Euro). Nicht nur als Weihnachtsgeschenk bestens geeignet dürfte der „Wandkalender für 2016“ mit Texten von Kästner und Illustrationen von Walter Trier (12,99 Euro) sein.

Ursula Sautmann

„Gestatten, Kästner“ – Eine Ausstellung des Literaturhauses München. 25. 9. 2015 bis 14. 2. 2016. Leitung: Reinhard G. Wittmann. Kuratorium: Karolina Kühn & Laura Mokrohs. Öffnungszeiten: Mo bis Fr 11 bis 19 Uhr, Sa, So und Feiertage 10 bis 18 Uhr.

Kuratorenführung mit Karolina Kühn Do, 1. 10. 2015, 18 Uhr in der Galerie.