Christoph Poschenrieder begleitet in seinem neuen Roman „Mauersegler“ eine noble Senioren-WG bis zum Ende

Sie waren Freunde, Knaben aus einer Kleinstadt, wuchsen gemeinsam in der Nachkriegszeit auf. 60 Jahre später sind sie fünf „gutaussehende, braungebrannte Erfolgstypen, Alphawölfe, Überholspurfahrer, FDP-Wähler, als es die noch gibt“ – so beschreibt Christoph
Poschenrieder seine Protagonisten in dem soeben erschienenen Roman „Mauersegler“. Das Quintett gründet eine Senioren-WG in einer Villa am Starnberger See und schließt einen Pakt: Jeder von ihnen soll selbstbestimmt sterben können – und die anderen helfen ihm dabei. Bis es zum ersten Pflegefall kommt, führen die Fünf ein komfortables Leben: Sie trinken Champagner und teure Cognacs, fahren Porsche, ziehen Tomaten und schlagen Golfbälle in den Starnberger See. Ein launiges Szenario, mit viel Charme und sanfter Ironie erzählt.

Es ist der vierte Roman des Münchner Schriftstellers (51), der im Vorjahr mit seinem Werk „Das Sandkorn“ für den Deutschen Buchpreis nominiert war. Wie schon im „Sandkorn“ besticht Poschenrieder durch seinen leichten, wunderbar süffigen Stil, der den Leser freilich hinters Licht führt, denn so plauderig, so kurzweilig ist die Story ja eigentlich gar nicht. Es geht – so ganz nebenbei – um den Paragraphen 216 des Strafgesetzbuchs, der den Straftatbestand der „Tötung aus Verlangen“ mit Freiheitsstrafen von sechs Monaten bis fünf Jahren ahndet. Poschenrieder und seine Senioren-WG präsentieren einen Ausweg: Das Quintett hat in seiner Mitte den Programmierer und Software-Millionär Ernst, der nicht nur die Temperaturen im Badezimmer oder das Öffnen des Garagentors regelt, sondern auch das „Todesengelprogramm“ geschrieben hat.

Mit diesem Computer-Programm werden alle Paragraphen umschifft: Jeder WG-Bewohner kann sich seinen „Todesengel“ wählen, der durch eine nur ihm zugeleitete mail informiert wird und das Gift verabreichen muss. Oder gibt es da noch andere Todesarten? Das wird hier nicht verraten – auch nicht, wer der oder die „Todesengel“ sind, wie der Dorfarzt immer wieder brav die Totenscheine ausstellt oder wie die Starnberger Villa – allen Todesfällen zum Trotz – mit neuem Leben erfüllt wird. Vor Schläuchen in Klinikbetten gerettet zelebriert das Senioren-Quintett ein elegantes Ausstiegsmodell, das freilich nur für die oberen Zehntausend praktikabel scheint. Für Normalsterbliche verweist Poschenrieder auf Brehms Tierleben und den Mauersegler: Der stirbt nämlich ganz einfach, indem er die Flügel faltet und zu Boden stürzt. Fazit und Resumee nach 219 Seiten: „Mauersegler“ – ein literarischer Spaß.
Ina Kuegler

P.S.: Christoph Poschenrieder wird seinen Roman „Mauersegler“ am Freitag, 23. Oktober im Rahmen der „Langen Nacht der Autoren“ im Literaturhaus vorstellen.

Christoph Poschenrieder
Mauersegler
Roman, 220 Seiten
Diogenes-Verlag, Zürich 2015
22 Euro