Kurt Eisner – Revolutionär und Schriftsteller

Von Katrina Behrend Lesch

Zum Flanieren lädt er nicht ein – der Oberanger. Man geht ihn entlang, um zum Stadtmuseum, zum Jüdischen Zentrum zu gelangen. Doch dann gibt es die Stelle, die zum Jakobsplatz abbiegt. Von dort kann man es sehen, ein meergrünes transparentes Etwas, das aus dem Straßen- und Häusereinerlei herausleuchtet. Und die Neugier weckt. Näher heran also an den gläsernen Kubus, und man erschrickt. Das ist doch – die Spur einer Kugel, rundum die fächerför-migen Linien von zerborstenem Glas. Schon wieder Vandalen, die ihrer Zerstörungswut freien Lauf gelassen haben …

Ein paar Schritte weiter klärt sich alles auf. Der Glaskubus samt täuschend echtem Einschussloch ist ein Denkmal und Kurt Eisner gewidmet, Bayerns erstem Ministerpräsidenten, der einem Attentat zum Opfer fiel. 2011 wurde es eingeweiht, und ihm ging viel Hass und Unversöhnlichkeit voraus. Denn um Eisner stritt man sich, einmal weil er aus jüdischem Hause stammte, zum anderen, weil er als überzeugter Pazifist gegen den Krieg war, die Novemberrevolution in München anführte, den König stürzte und am 8. November 1917 den republikanischen Freistaat Bayern ausrief. In der Zeitungsmeldung darüber wurde er zitiert: „In dieser Zeit des sinnlos wilden Mordens verabscheuen wir alles Blutvergießen. Jedes Menschenleben soll heilig sein!“ Ein Satz, der für Eisners Geisteshaltung steht und nun weithin sichtbar von der Glaswand mahnt.

Eindrücklich hat Rotraut Fischer die Kugel, die Eisner tötete, die Worte, die er dagegen richtete, zusammengeklammert. Und damit eine Persönlichkeit dargestellt, die Kultur und Politik, Revolution und Gewaltfreiheit, Sozialismus und Demokratie vereint hat. Die Künstlerin, deren Konzept eines Denkmals für diesen großen Friedenspolitiker im Stadtrat sehr umstritten war, stellte sich einen Raum vor, der begehbar und transparent sein sollte. So kann der Blick von außen nach innen und von innen nach außen gehen. „Wichtig ist, dass der Betrachter interagiert“, sagt sie. „Der Raum lebt durch ihn, durch das Gefühl, das sich einstellt. Er kann hineingehen, er konfrontiert sich, mit dem Zitat, mit der Inschrift am Boden, die besagt, wer hier ein Denkmal bekommen hat. Zusätzlich gibt es in ein paar Meter Entfernung ein Hinweisschild, auf dem die notwendigen Erläuterungen stehen. Nicht jeder weiß auf Anhieb, wer Kurt Eisner ist.“

Dass er auch als Schriftsteller tätig war ist mehr oder weniger vergessen. Nach abgebrochenem Literatur- und Philosophiestudium hatte Eisner sich dem Journalismus zugewandt, fand in literarischen Kreisen Bewunderung für seine Nietzsche-Kritiken, schrieb die erste Biographie über Wilhelm Liebknecht und arbeitete in verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften als Schriftsteller, Journalist und Theaterkritiker. Seine sogenannten Arbeiter-Feuilletons verschafften ihm wohl die Eintrittskarte ins Münchner Künstler- und Intellektuellenmilieu. Indes so sehr er sich anfangs als Dichter und Literat sah, so wenig konnte er sich seiner Berufung zum Aufklärer und Volkspädagogen entziehen. Treffend ist die Bezeichnung „revolutionärer Humanist“, mit dem auseinanderzusetzen sich lohnt. Zurück zum Denkmal, zu dem Rotraut Fischer sagt: „Von weitem ist ein meergrüner Glaskasten zu sehen, und wenn einen die Neugier hintreibt und man steht und liest, vielleicht hineingeht, sich negativ oder positiv mit der Form auseinandersetzt, dann habe ich etwas erreicht.“

Anlässlich des 150. Geburtstags zeigt das Stadtmuseum die Ausstellung „Revolutionär und Ministerpräsident – Kurt Eisner (1867–1919)“.
Münchner Stadtmuseum, St-Jakobs-Platz 1. Di-So 10-18 Uhr. Bis 8. Oktober.