Von Katharina Bendixen

I
Wenn mein Mann und ich in einem Hotel übernachten, was gelegentlich vorkommt, denn mein Mann ist Handelsvertreter, gehen wir mit unseren Koffern immer durchs Treppenhaus. Erst in der Nacht, wenn wir aus dem Restaurant zurückkehren, fahren wir mit dem Aufzug. Das machen wir so, damit wir Bescheid wissen für den Fall, dass ein Feuer ausbricht. Diese Vorsichtsmaßnahme war noch nie nötig, aber ich fühle mich so sicherer. Morgens nimmt mein Mann seine Termine wahr, und ich spaziere durch die Stadt und schaue, ob ich etwas Schönes für die Kinder finde.

II
Es kommt vor, dass ich Elternabende besuchen muss. Ich habe keine Ahnung, was die Kinder an den Tagen anstellen, an denen wir auf Reisen sind, und über die Tage, die wir zu Hause verbringen, weiß ich nicht viel besser Bescheid. Um unliebsame Überraschungen zu vermeiden, greife ich auf einen Trick zurück, den früher Bergleute in den Schächten angewendet haben: Ich lasse einen Wellensittich in den Klassenraum fliegen, und kehrt er nicht zurück, heißt das, dass die Luft im Klassenraum knapp werden könnte.

III
In letzter Zeit verreist mein Mann häufiger mit dem Flugzeug, da bleibe ich lieber zu Hause. Ich versuche, mich um die Kinder zu kümmern, und ich habe mich auch darum gekümmert, dass mein Mann einen Kurs besucht, der Vielflieger für Unglücke schult. Was mein Mann dort gelernt hat, ist nicht nur in Flugzeugen hilfreich. Auch im Auto kann es nicht schaden, sich vor Fahrtantritt mehrmals ab- und wieder anzuschnallen, denn in einer Paniksituation vergisst man diesen alltäglichen Handgriff schnell, und auch im Zug ist es sinnvoll, sich den Weg zum nächsten Notausgang einzuprägen, nur für den Fall.

IV
Einmal fahren wir in den Urlaub, ans Meer. Wir fahren mit dem Auto, und ich achte darauf, dass die Kinder sich anschnallen und dass auch sie sich zuerst mit dem Treppenhaus vertraut machen. Am Strand bin ich genügsam, da liege ich reglos auf meinem Handtuch, nur ab und zu halte ich einen Wellensittich in den Wind. Meistens stelle ich mir vor, wie es wäre loszuschwimmen, zu schwimmen, bis ich in einem anderen Land angekommen bin. Ich weiß nicht genau, wie dieses Land beschaffen sein könnte. Mir fällt nur ein, dass es schön wäre, wenn die Menschen sich dort nur zu Fuß fortbewegen, wenn es keine Elternabende gäbe und alle Häuser ebenerdig sind.

V
Es kann auch sein, dass ich es nicht schaffe, weit genug zu schwimmen, dass ich nur so weit komme, wie meine Arme und meine Beine mich tragen.